Epupa Falls und Kunene – Das Land der Himba

Dort, wo sich der Kunene Fluss an den Epupa-Fällen 40 Meter in die Tiefe stürzt und den Süden Angolas streichelt, beginnt das Land der Himba; eine Gegend, deren Schroff- und Trockenheit genauso viel Mystik versprüht wie der Nomadenstamm, der sein Leben halbnackt aber stets geschmückt unter der sengenden afrikanischen Sonne verbringt.

„Da gibt’s ne Straße“, haben sie mir gesagt. „Da gibt’s ne richtig gute geteerte Straße“, sagten sie, „die Dich schnurstracks zu den Fällen führt“. Sie, dass sind namibische Verkehrspolizisten, deren „Ratschlag“ genau die gleiche Qualität aufweist wie Hinweise anderer afrikanischer Ordnungshüter. Aus dem „Kein Problem, in 4 Stunden bist Du dort!“ ist ein profundes Kleben am Berg geworden; im Jeep, allein, mit 40° Schräglage und unter mir rutschen so langsam aber sicher die Steine weg.

Wo bin ich? Irgendwo entlang des Kunene Flusses zwischen seinen beiden Wasserfällen Epupa Falls und Ruacana Falls. Das diese Strecke nicht ohne ist, führte mir ein stürzender Motorradfahrer ein paar Kilometer weiter stromaufwärts vor Augen. Ob seines spektakulären Sturzes ist ihm glücklicherweise nicht viel passiert. Die von den Polizisten so genannte „Straße“ entlang des Flusses ist nichts weiter als eine Fahrt durch steinig-felsiges Gelände die ohne Allradantrieb nicht einmal ansatzweise möglich wäre.

Auf den An- und Abstiegen der Berge muss man tierisch aufpassen sich mit der Kiste (berlinerisch für Auto/Jeep) nicht zu überschlagen oder aber den Unterboden aufzureißen. Noch viel wichtiger ist es ein Auge auf die Reifen zu haben denn eine Armee spitzer Steine wartet nur darauf aus den schwarzen Gummiringen Hackfleisch machen zu können. Mühsam geht es Meter für Meter vorwärts, das Wort Geschwindigkeit aber sollte man dafür nicht in den Mund nehmen.

Die Passagen zwischen den Bergen entlang des Flusses sind wunderschön. Keine Menschenseele ist hier in diesem unberührten Stück Südwest-Afrikas anzutreffen. Der Kunene allerdings ist Namibias schnellst fließender Fluss und so sind die Passagen entlang des Flusses fahrerisch gesehen oft von weichem Sand und Auswaschungen geprägt. Die nächste Herausforderung für Maschine und Maschinist lässt also nicht lange auf sich warten.

Ach Du Scheiße! Ich hänge wieder einmal mittendrin im Aufstieg eines Berges als ich oben einen Jeep runterkommen sehe; und dieser Idiot setzt seine Fahrt fort anstatt oben anzuhalten. Straßenverkehr bedeutet die Dummheit Anderer antizipieren und sein eigenes Verhalten daran anpassen zu können. Und so bewege ich meinen Jeep an den äußersten Rand und statte dem Gebüsch einen Besuch ab, damit der intellektuell Benachteiligte seine Talfahrt fortsetzen kann.

Warum ich mich darüber echauffiere? Naja, in Nordwest-Namibia gibt es genau wegen solch fahrerisch äußerst heiklen Strecken die Regel, dass Offroad nur von Osten nach Westen gefahren werden sollte. Eine Regel, die derartige Situationen verhindert. Dumm grinsend und winkend lässt der Idiot seinen Jeep an mir vorbei gen Tal poltern, wo er sein Gefährt erstmal mit einem richtig schönen Knall auf einen Felsbrocken setzt. Viel Spaß beim Freisetzen!

In der Sorge da kommen noch mehr von dieser Sorte, suche ich mir einen Platz zum rasten. Direkt am Fluss zu pennen wäre natürlich supergeil :-) Auf der Suche nach einem solchen Ort treffe ich eine Alte auf dem Weg zum Fischen, die mir auf meinen Wunsch ein Foto schießen zu dürfen prompt und zielstrebig ein Bier abschwatzt. Das von ihr geschossene Porträt mit dem Bier in der Hand könnte nicht grotesker sein. Sie weist mich allerdings auch auf Steine mit eingeritzten Richtungspfeilen hin, welche Wegweiser der Himba zu einem Rastplatz sind. Super! Dort angekommen bin ich zwar nicht allein, aber im Laufe des Abends werden Dominque, seine Truppe aus La Réunion und ich gute Freunde.

Ein wunderschöner Sonnenuntergang läutet die afrikanische Nacht ein, die wie ein Leichentuch urplötzlich alles verdunkelt. Ohne Taschenlampe ist man gelinde gesagt am Arsch. Dabei nachts Offroad zu fahren ist eine der größten Dummheiten die man in Afrika begehen kann. Mein Dachzelt ist bereits aufgeklappt und so kann ich unbeschwert und müde vom anstrengenden Fahren ins Reich der Träume sinken, während mich das Gequake junger Krokodile im Fluss nebenan in den Schlaf wiegt.

Ups! Ich muss aufs Klo. Es ist irgendwie 2 Uhr nachts und ich muss mein Schloss aus Zeltplanen verlassen. Siedend heiß fallen mir die jungen Krokodile wieder ein, deren Mutter hoffentlich nicht irgendwo entlang des Wegs zum Klo lauert. Der Fluss plätschert vor sich hin während ich über einem Loch grätschend, naja, ihr wisst schon… ;-) Auf dem Weg zurück zum Jeep leuchte ich auf den Boden und freue mich ungemein bis dato noch keine Bekanntschaft mit den zahlreichen Skorpionen gemacht zu haben. Heiliger! Auf der nächtlichen Jagd flitzen da nicht wenige um meine Beine…, und dann auch noch die kleinen Durchsichtigen, deren Stich Dich umhaut, wie man in Afrika sagt.

Am nächsten Tag beschließen Dominique und ich die deutsch-französische Freundschaft zu pflegen und uns zusammen zu tun auf dem Weg gen Epupa Falls. Von den neu gewonnenen Bekanntschaften berauscht merke ich nicht, wie mein Jeep auf einer kurzen sandigen Passage entlang des Flusses auf einmal zur Seite kippt. Shit, da bröckelt was unter mir weg! Geistesgegenwärtig stoppe ich die Kiste, setze langsam ein wenig zurück und entkomme auch aufgrund meiner nicht zu schnellen Fahrweise knapp einer persönlichen Katastrophe.

Mittlerweile habe ich Ananaes mit an Bord, ein Mann halb vom Stamm der Himba und halb ein Ovambo. Er riecht zwar nicht gerade nach Chanel No5, aber gemeinsam im namibischen Felsland unterwegs, beweist er sich auf unserem gemeinsamen Weg als großartige Orientierungshilfe und seine Dienste als Übersetzer beim Antreffen der Himba sind Gold wert. Zuerst trifft man die Kinder dieser Nomaden, die die Fremden oft mit Süßigkeiten oder anderen Leckereien assoziieren und daher anbetteln. Ich für meinen Teil verschenke, auch als Dankeschön für die Fotos die ich hab schießen dürfen, ausschließlich Mielie Pap, woraus man Maisbrei kochen kann, denn Zahnpasta & Co. gibt’s hier draußen nicht, ergo sind Zähne zuckerbedingt schnell ruiniert.

Sind die Himba im heiratsfähigen Alter, dann sind sie besonders schön anzuschauen. Beide Geschlechter tragen Trachten. Die jungen Männer drehen sich die Haare zu zwei Dreadlocks die entfernt an die Hörner jener Tiere erinnern, die sie allzu oft hüten: Ziegen. Der echte Hingucker aber sind die Himba-Mädchen, die sich auf der Suche nach einem Bräutigam bereits in sehr jungen Jahren eminent herausputzen. Sie tragen eine Art Hahnenkamm aus Leder, diversen Schmuck aus gleichem Material und schmieren sich lehmige Erdfarbe ins Haar und auf die Haut. Klare Sache: ein paar der Mädchen flirten mit mir, lassen mich gefühlt endlos fotografieren, was vielleicht an meinem heiratsfähigen Alter nebst westlichem Wohlstand liegt ;-)

An den Fällen angekommen – die Strecke kurz vor Epupa ist mittlerweile planiert und es ist nur eine Frage der Zeit bis der herrliche Offroad-Weg entlang des Flusses Geschichte ist – muss ich mich erstmal waschen. So viel Staub habe ich selten geschluckt und meine Haut wirkt durch den Dreck sonnengebräunter als ich eigentlich bin. Oberhalb der Fälle gibt es ein paar strömungsberuhigte Stellen in denen man baden kann. Von der Allradstrecke gezeichnet, lasse ich mich ins kühle Nass sinken. Wie geil das ist…! :-) Und während ich im natürlichen Whirlpool des Kunene faulenze, merke ich, wie etwas an meinen Füßen rumknabbert. Kleine Fische finden wohl gefallen an Hornhaut, was unglaublich kitzelt und mich zum Lachen bringt.

Die Epupa-Fälle sind vielleicht nicht so hoch wie die Victoria Falls des Sambesi, der Fakt aber, dass man diesen Ort durchaus für sich allein genießen kann, katapultiert das Erlebnis in die Champions League Afrikas. Wenn man auf dem Fels steht der in das Katarakt hineinragt, ist man Teil des stürzenden Wassers, das mit großer Kraft alles in die Tiefe zerrt. Es hinterlässt einen feinen Nieselregen der alles durchweicht und superrutschig macht aber auch einen Regenbogen zeichnet; einen kreisrunden Farbverlauf, an dessen Ende kein Goldtopf sondern die pure Schönheit afrikanischer Natur wartet.

Im Licht der sinkenden Sonne nimmt die Kraft des Flusses zu. Irgendwie ist mehr Wasser im Lauf als heute Nachmittag. Oberhalb der Fälle baden kann man jetzt nicht mehr, es würde einen in die todbringende Tiefe zerren. Zur Erinnerung: 1 Liter Wasser entspricht nicht nur dem Gewicht sondern auch dem Druck von 1 Kilogramm ;-)

Das Spray des Wassers benetzt die unmittelbare Vegetation und so beginnen die sich in den Fels klammernden pittoresken Baobabs, Affenbrotbäume, zu schimmern und glitzern. Inmitten dieser Szenerie schmeckt der Afrika-übliche Sundowner um Welten besser, zumal ich per SMS erfahren habe im Finale des russischen Fotowettbewerbs Golden Turtle zu stehen.

Das Lager an den Epupa Fällen bietet den Himba Arbeit, bedeutet aber auch einen signifikanten Einschnitt in die Lebensweise dieses Nomadenvolks. Ich kann zwar für wenige Namibia Dollar all meine Klamotten waschen lassen, aber eigentlich hätte dieses für mich arbeitende Mädchen vor wenigen Jahren ein Dasein als Viehhirte gehabt. Ich wüsste zu gern wie die Himba über uns denken, über uns Fremde, die wir Staub aufwirbelnd durch ihr Land brettern und ihr Dasein verändern. Auch ich bin Teil dieser Veränderung, dieser Chance oder Problems welches letztlich Kultur- und Wesensgefährdung für einen der entlegensten Winkel Afrikas bedeutet.

Einen viel krasseren Einfluss jedoch hat die Vielzahl der Overland Trucks die Epupa neuerdings ansteuern. Jeder einzelne von ihnen bringt jedes Mal 10-20 Leute auf einen Schwung. Ich begegne diesen Trucks auf meiner Rückfahrt die auf einer sehr guten Straße verläuft; wohl jener Straße, die die Polizisten zum Start meiner Reise eigentlich meinten, mich aber in eine falsche Richtung lotsten. Afrika :-)

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