Berlin, Bomben und Bunker – Im Untergrund von Alexanderplatz und Moritzplatz

Berlin hat eine weltweit einzigartige Geschichte vorzuweisen, denn sowohl heiße Konflikte als auch der Kalte Krieg hinterließen ihre Spuren in der Stadt. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erfuhr Berlin tiefgreifendste Änderungen. Die Stadt vergrößerte sich und musste ihre Infrastruktur sowohl an den Bevölkerungszuwachs anpassen als auch technisch en vogue sein lassen. Zeugen beider Einschnitte, von Krieg und Wachstum, sind Überbleibsel im Untergrund zweier Berliner Plätze, dem Alexanderplatz in Mitte und dem Moritzplatz in Kreuzberg.

Der Geisterbahnhof vom Moritzplatz

Ursprünglich sollte einmal eine Bahn unter der Berliner Oranienstraße verkehren, um die vor mehr als 100 Jahren wichtigen Bahnhöfe Gleisdreieck, bzw. Dresdner Bahnhof, und den Görlitzer Bahnhof miteinander unterirdisch zu verbinden. Vor über 100 Jahren waren dies nämlich nicht nur bloße Namen irgendwelcher Plätze sondern die Endbahnhöfe realer Bahnstrecken. Der Görlitzer Bahnhof stand einstmals dort, wo heute Drogenhandel und -kriminalität zuhause sind, im Görlitzer Park. Der gleichnamige Bahnhof der U-Bahnlinie 1 erinnert noch heute daran.

Steht man auf dem Bahnsteig der heutigen U8, dann merkt man nichts davon, dass unter den Füssen ein Geisterbahnhof, bestehend aus zwei Beton-Gleiströgen, schlummert. Der Bahnhof ist im Wesentlichen eine Bauvorleistung für eine der damals geschäftigsten Kreuzungen und Plätze Berlins, den Moritzplatz. Die heute noch sichtbaren Ventilationssysteme der Firma Draeger sagen aber auch, dass der Moritzplatz bereits vor dem Zweiten Weltkriegen als potentieller Luftschutzraum konzipiert wurde. Luftschutz im damaligen Sinne bedeute Schutz vor Gas, der großen, aus dem Ersten Weltkrieg erwachsenen Angst. Die großen runden Gasfilterpatronen der Draeger-Geräte zeugen davon. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Moritzplatz Geisterbahnhof dann als Bunker benutzt um sich vor genau dem schützen zu können, was die Amerikaner auch heute noch sehr gut können: Bomben schmeissen.

Obwohl Hitler-Deutschland 1945 militärisch bereits deutlich zurückgedrängt wurde, versuchten die westlichen Alliierten gezielt und systematisch die Zivilbevölkerung zu treffen, indem man kurz vor Kriegsende Feuerstürme mit Brandbomben übelster Machart los trat. In Berlin ist ein solcher Feuersturm nur sehr lokal und begrenzt „gelungen“. Leute aus Hamburg, Pforzheims oder Dresden werden jene Kriegstaten aber anders bewerten. Der längste Luftangriff auf Berlin dauerte 56 Minuten.

Der Bunker ist der untere, unfertige Teil des geplanten Turmbahnhofs Moritzplatz. Ohne zusätzliches Licht ist es dort stockfinster. Läuft man aber eine Weile herum und schaltet dann die Taschenlampen aus, kommt ein Relikt aus der Zeit des Krieges zutage, sprich wegweisende Pfeile, Raumbeschriftungen und Leuchtfarbe, die auch heute noch ihren Dienst verrichten. Grundsätzlich aber ist der Geisterbahnhof in einem schlechten Zustand. Wasser dringt ein, das Mauerwerk wird sukzessive instabil und die gesamte Bauvorleistung wird wohl bald zugeschüttet werden und damit Geschichte sein.

Das Bunker-Gesicht des Alexanderplatzes

Unter dem Berliner Alexanderplatz ist ein weiterer, weitläufigerer Schutzraum zu finden. Genauer gesagt liegt er unter dem Gebäudeblock zwischen Otto-Braun-Straße, Karl-Marx-Allee und Mollstraße. Betritt man diesen Bunker, kommt man um ein anderes Relikt des Kalten Krieges nicht herum: die einstige Fußgängerunterführung.

Damals im bösen Sozialismus galt Fußgängern ein deutlich größerer Respekt. Wir hatten freie Fahrt. Heute hingegen dürfen wir uns der „Verpiss Dich jetzt komm ich“-Mentalität vieler Autofahrer aussetzen. An flüssiges Vorankommen ist da nicht zu denken, auch weile viele Ampeln den Verkehrsfluss zerhacken. Der Berliner Senat war ja so clever meinen zu müssen, dass man die Steuerung der Ampeln allein besser beherrscht als der Hersteller. Derartiger Größenwahn gepaart mit Realitätsfremde gipfelt aktuell im Flughafen-Desaster.

Insgesamt ist der Schutzraum unter dem Alex für deutlich mehr Leute ausgelegt als der Bunker unter dem Moritzplatz. Letzterer war aber deutlich stabiler konstruiert, was eine in der Nähe eingeschlagene Sprengbombe unter Beweis stellte. Bei einem Treffer dieser Art, oder gar einem Volltreffer, wäre der nur knapp unter der Erdoberfläche liegende Schutzraum unter dem Alex zur Todesfalle geworden.

Ab und zu brummt es im Bunker. Das sind zum einen schwere LKW, die den benachbarten Autotunnel unter dem Alex nutzen, aber auch Gleis und Tunnel der U-Bahnlinie U8 liegen in unmittelbarer Nähe. Im Schutzraum selbst ist eigentlich nur eine originale Inschrift erhalten. In einem der Räume, deren Wände vor Halterungen für Wandbetten nur so strotzen, steht vergilbt „Schutzraum“ geschrieben und unleserlich so etwas wie „Kein offenes Feuer“.

In einem der Keller im Schutzraum unter dem Alexanderplatz sind die alten Gaslaternen Berlins zwischengelagert. In einem anderen Raum sind wiederum nur merkwürdige Metallschubkästen und gemauerte Löcher zu sehen. Dort war das Ende der Luftfilteranlage untergebracht, die u.a. mit Sand betrieben wurde und das gesamte Bunkersystem durch Durchlässe in den Seitenmauern belüftete.

An den Enden der Dormitorien sieht man noch die Stümpfe der einstigen sanitären Anlagen. Man brauchte Frischluft also nicht nur in Sachen Sauerstoffnachschub… So aufregend und interessant das heute alles sein mag, die Unterbringung in derartigen Schutzeinrichtungen war definitiv kein Spaß. Vor dem Hintergrund dieser Berliner Erfahrung und Erkenntnis, sind mir kriegslüsterne Waffenexporte und das Anlegen mit dem Nachbar auf Geheiß Anderer ein Rätsel. Derartiges kann nur purer Dummheit oder aber bösartigstem Vorsatz entspringen.

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