Eismasse im Regenwald – Unterwegs auf dem Fox Gletscher

Die Westküste Neuseelands ist einzigartig. Sie ist eines der regenreichsten Gebiete der Erde und nur einige wenige Orte auf dieser Welt vermögen es die Kombination eines Gletschers nebst Regenwald mit Meeresnähe treffen. In Neuseeland gibt es sogar zwei derartige Orte, den Franz Josef Gletscher und den meinerseits besuchten Fox Gletscher, der dem westlichen Massiv des Mount Tasman entspringt. Vom Fuß des Gletschers ging es hinauf bis zu den berüchtigten dramatischen Spalten in denen schon so mancher Bergsteiger auf Nimmerwiedersehen verschwand.

Wie vielerorts in Neuseeland üblich gibt es nur eine Firma die das Naturwunder exklusiv anbietet, sprich in diesem Fall Gletscherwanderungen. Egal ob Gletscher oder Anderes, ist man Profi und geht allein, hat man die Entscheidung getroffen das Risiko nur für sich allein in Kauf zu nehmen, bekommt man es trotzdem mit jenen Unternehmen und deren scheinheiligen Ausreden nebst angedrohter Polizei/Geldstrafe zu tun, denn das Kerngeschäft steht an erster Stelle.

Also biss ich in den sauren Apfel und buchte ich eine geführte Tagestour, welche zwar ein wenig mehr Kondition erfordert, aber um einiges entspannter abläuft als die Vielzahl anderer angebotener Kurztrips. Am Morgen ist es für kurze Augenblicke unglaublich klar und die Fernsicht hervorragend. Von Fox Glacier aus (damit ist die Ortschaft gemeint) kann man sowohl den Mount Tasman als auch den Sattel ausmachen dem der Fox Glacier (damit ist der Gletscher gemeint) entspringt.

Im Büro von Fox Glacier (womit wiederum die Tourismusfirma gemeint ist) angelangt, gab es seitens der Guides eine Einweisung in sowohl Tourablauf als auch die Ausrüstung.

Das Antlitz von Gletschern ist recht ambivalent. Mal strotzt es nur so vor Farben, mal versinkt es im Grau des mitgeführten Gerölls.

Meinerseits bereits bestens ausgerüstet, nur die Steigeisen blieben in Berlin, ging es los. Wer keine gletschertaugliche Ausrüstung sein Eigen nennt, der kann vor Ort entsprechende Schuhe, Kleidung und Steigeisen kostenfrei mieten. Irgendwie merkte ich auf Anhieb, dass der Guide Tyler ne coole Sau ist und seinen Job liebt. Flugs stellte ich alle Weichen in seine Gruppe zu gelangen, sprich ca. 10-12 Leute die mit einem den Tag auf dem Gletscher verbringen werden.

Normalerweise fallen in dieser Region – gemeint ist das Mount Cook Massiv an sich – innerhalb einer Stunde bis zu 15 Zoll Niederschlag (ca. 38cm), was sich im Jahr auf unglaubliche 11 Meter aufsummiert, wie mir mein Fox Glacier Guide Tyler zu verstehen gibt…! Da die neuseeländische Westküste im Sommer 2013 aber mehrere Monate lang keinen Regen sah, war die Gegend um den Gletscher recht staubig und der Gletscher selbst natürlich kürzer und schlanker als normal. Die Eismasse rutscht übrigens erstaunlich schnell den Berg hinab und legt die komplette Strecke von circa 3 Kilometern in nur circa 60 Jahren zurück.

Nachdenklich stimmen die vielen Schilder auf dem Weg zum Gletscher die aufzeigen, in welchem Jahr das Eis wo gestanden hat. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass jene Schilder traurigerweise nur eine Bewegung verbildlichen, das Schrumpfen. Am Parkplatz angekommen sortieren wir uns kurz während hinter uns mal wieder die Chinesen mit fünf Reisebussen einreiten. Mit großem „Oh!“ und „Ah!“ geht es für den Großteil dieser Besucher im intelligenzlosen Großschwarm wild umher fotografierend auf den bis fast zum Gletscherfuß reichenden Trampelpfad.

Glücklicherweise haben wir eine andere Route, denn es geht über einen parallel verlaufenden Bergweg gen Gletscher. Bereits auf diesem Weg offenbart Tyler seine Qualitäten und zeigt fundiertes Wissen über sowohl Bio- als auch Geologie dieses Ortes. Zum Beispiel geht er auf die unscheinbaren Pionierpflanzen ein, ohne deren Freisetzen von Stickstoff und Auflockerung der Felsen sich keine andere Pflanze halten könnte. Dummerweise werden diese Pflanzen oft von den heimischen Bergziegen gefressen.

Ein erstes Highlight sind die zahlreichen Wasserfälle und Quellen entlang des in die Bergwand gehauenen Pfades. Quellen, aus denen man bedenkenlos trinken und sich natürlich auch erfrischen kann. Der Weg zum Gletscher bringt den Körper ordentlich in Wallung. Ich mache mir Luft, denn das Zwiebelschalenprinzip meiner Kleidung (es lebe Merino-wollene Unterwäsche!) macht schnell das was sie machen soll: den Leib warm, sehr warm zu halten. Dies und eine winddichte Außenhaut werden beim Aufenthalt auf dem Gletscher essentiell.

Kurz vor dem Betreten des Eises schnallen wir uns die Steigeisen an. Andere Guides sind bereits auf dem Eis und hauen entlang der Route Stufen ins Eis, bzw. inspizieren vorab wo man langgehen kann und wo nicht, denn das Eis wandelt sich ständig. Tiefe Spalten können sich binnen weniger Stunden auftun oder schließen und Eisfahnen als auch Tunnel sind fähig jederzeit einstürzen zu können.

Fotografisch ist eine solche Eismasse schwierig. Ein Größenvergleich lässt sich nur selten sinnvoll bewerkstelligen. Es bleibt oftmals nur das Ablichten der Formen, Farben und Kontraste.

Der untere, flache Teil des Fox Glacier ist von einer Vielzahl kleiner Eisrinnen durchzogen. Überall ist Wasser zugegen, manchmal wenig, manchmal mehr. Hinzu kommt ein ständiges Gluckern im Inneren der Eismasse. Ohne Steigeisen wäre das Durchqueren eine ziemliche Rutschpartie, aber so macht es ziemlich viel Spaß die metallenen, Halt gebenden Zacken ins Eis zu dreschen. Und mittlerweile ist der Himmel über uns aufgeklart, die Sonne kommt raus und versüßt bis zum späten Nachmittag die optischen Eindrücke.

Gegen Mittag stellt sich erwartungsgemäß der Hunger ein. Wir machen Rast. Das Mitbringen von Verpflegung fester wie flüssiger Natur erfolgt auf eigene Verantwortung und Rechnung. Während die anderen kalte Nudeln, Müsliriegel oder aber ein Sandwich verdrücken, ziehe mir ein wenig Brot und geräucherten Königslachs rein, wohl eine bleibende Nachwirkung meiner Kamtschatka-Reise ;-)

Dann geht es weiter aufwärts zum durch Spalten zerfurchten Teil des Gletschers. In einige der Spalten werfen wir einen kleinen Stein. Es kommt kein Aufprallgeräusch zurück… Noch vor wenigen Wochen stürzte in der Nähe eine junge Bergsteigerin hinein. Sie landete glücklicherweise auf einer unterhalb vorgelagerten Terrasse und konnte trotz mehrerer Knochenbrüche geborgen werden.

Die Retter dieser Frau sind gleichzeitig Tylers Chefs. „Richtig knallharte Typen!“, meint Tyler respektvoll. Männer, deren Vorfahren unter anderem den neuseeländischen Mount Everest Bezwinger Sir Edmund Hillary trainierten und nicht nur in Sachen Bergrettung fit sind. Die mitgeführte Eishacke ist ihr Markenzeichen und ein Symbol das am Fox Glacier gepflegt wird, sprich Tradition hat.

Noch weiter können wir nicht vordringen. Die Spalten werden zu tief, die uns Halt gebenden Eiskonstruktionen zu labil. Das ist nicht weiter schlimm, denn über die angrenzenden Bergkämme waberten mittlerweile dicke Wolken rein und das gute Wetter verzog sich. Ideal für den Abmarsch, der witzigerweise nur circa eine halbe Stunde und damit nur einen Bruchteil des Aufstiegs dauert. Und an diesem Abend kam der lang ersehnte Regen…

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