Aleppo – Lautes, chaotisches Seifenparadies

Das nordsyrische Aleppo (حلب) bzw. aramäische Ḥalab ist seit Menschengedenken ein Zentrum des Handels, wovon nicht nur der märchenhafte Basar zeugt sondern auch die eindrucksvolle Zitadelle, die schätzungsweise bereits seit der Bronzezeit als Ort der Verteidigung dient. Die ganze Stadt ist ein einziges großes geschäftiges Gewusel von Menschen, das einem Urlauber wenig Platz zum Entspannen lassen kann. Ruhe findet man aber hinter den dicken Mauern des Hamam, wo die berühmte handgeschöpfte Aleppo-Seife den Körper verwöhnt.

Wir Deutschen kennen Aleppo vor allem durch das Engagement der GTZ, welche dabei hilft die trutzige Zitadelle inmitten der Altstadt und die Aleppiner Medina wieder aufzubauen und zu restaurieren. Auf dem Weg von den Noria Wasserädern Hamas sitzt auf der Fahrt nach Aleppo der Busfahrer Afik neben mir. Wir kommen ins Gespräch über Gott und die Welt, über das Reich der Umayyaden, über Pistazienbäume die im Winter wie abgestorben aussehen und natürlich diskutieren wir, und bald auch der ganze Bus, über die Gegenwart, sprich die US-amerikanische Aggression im Irak.

Afiks damalige Worte „…die werden uns noch ins Unheil stürzen!“ fand ich drastisch, doch die Zeit zeigte, dass die nachhaltige Destabilisierung des Iraks durch die US-intrigierte Koalition der Willigen der perfekte Nährboden für den IS (vormals ISIS) war. Viele Syrer und vor allem Kurden verharrten während der heißen Phase des Bürgerkriegs Zuhause, aber jetzt flüchten sie in Massen in die Türkei.

Doch genug Gegenwartsbewältigung und zurück zum damaligen Aleppo, wo sich wohl jeder Besucher an das Gewusel von Autos erinnern wird. Irgendwie ist der Verkehr dort anders; er ist hektischer und schneller als im Rest des Landes. In der Tat ist das Überqueren der Aleppiner Straßen ein Abenteuer für sich. Aber gut, so kann man als Mensch mal nachempfinden, wie sich manches Reh oder Wildschwein beim Passieren Deutscher Landstraßen fühlen muss. Wie in vielen arabischen Städten so kann man sich in Aleppo ebenfalls am besten am Clock Tower orientieren, welcher den Beginn der Altstadt symbolisiert. Von dort ist es nur noch einen Katzensprung zum berühmten Souk von Aleppo, dem Basar, sowie zur Zitadelle und zur hiesigen jedoch kleineren Umayyaden-Moschee.

Ich könnte mir heute noch in den Allerwertesten beißen, dass mir der Aleppiner Souk so gut gefiel, das ich vor Begeisterung und Kommunikation vergaß zu fotografieren. Der überdachte Basar ist mit seinen dutzenden von kleinen Gängen wie eine riesige große Höhle, in der es unmöglich ist den Gerüchen der Gewürze und Waren entkommen zu können. Wie jeder arabische Basar ist auch der Aleppiner Souk unterteilt in verschiedene Bereiche, so gibt es zum Beispiel eine Fleisch- aber auch eine Gewürz-Abteilung, wo Aladin in seinem kleinen Krämerladen original und selbst hergestellte Aleppiner Seife anbietet.

Nach dem Gespräch war ich Seifenexperte, vermochte er es doch innerhalb kürzester Zeit sein gesamtes Wissen, und auch feine Unterschiede in Sachen Lagerung und zusätzlicher Öle, lebenslang ins Hirn des Fremden zu „brennen“; was ihm sichtlich Spaß machte. Fakt ist: Seifen aus Naturölen wie Olive, Lorbeer, Cumin oder mit Zusatz von Minze, Pinie oder Rosenöl sind etwas 100%ig Natürliches, etwas das die Haut aufblühen lässt.

Viele werden den Film “Fight Club” kennen und werden sich auch an die widerliche aber ökonomisch geniale Idee der Gewinnung von Seife aus dem abgesaugten Fett alter Frauen erinnern. So wirklich weit entfernt vom Film sind industrielle Produkte nicht, denn zur Verseifung werden durchaus fettreiche Schlachtabfälle genutzt. Man wäscht dann seine Haut im wahrsten Sinne des Wortes mit Tieren. Mit allzu junger Seife (2-3 Jahre alt) sollte die Haut nicht in Kontakt kommen.

Diese Seife hat zu viele Reizstoffe und ist eher als Reinigungsmittel für Böden etc. gemacht und gedacht. Man erkennt das Alter einer Seife an ihrer Härte. Je älter, je härter und schrumpeliger ist sie und auch die Breite des rohen (grünen) Streifens beim Aufschneiden von Seife gibt Auskunft übers Alter, sprich je dünner desto älter. Feinseifen können aber durchaus jünger sein, denn diese haben eine andere, sprich ölseitig andere Zusammensetzung.

Unweit des Basars liegt die Zitadelle, die bereits seit der Bronzezeit als Ort der Verteidigung diente, natürlich nicht in ihrer jetzigen Form, aber als Ort, sprich strategisch wichtiger Hügel. Die wehrhafte Bastion am Fuße der Zitadelle ist auch gleichzeitig der Eingang. Die wuchtigen mit Eisenbeschlägen verzierten Türen vermitteln eindrucksvoll welch Kraft damals zum Brechen dieses Tores hätte nötig sein müssen. Oben angekommen trifft man auf ein Sammelsurium von Steinen, verteilt über ein Labyrinth von Gängen.

Kurz: die Restauratoren werden dort noch alle Hände voll zu tun haben die Spuren des Erdbebens von 1822 zu beseitigen. Das große Ravensburger Puzzle in 10000 Teilen für Unterforderte sozusagen. Läuft man die Eingangsbrücke hoch, so findet man auf der von dort aus gesehen linken Seite der Festung einen bereits restaurierten Saal mit diversen Holz- und Marmorapplikationen. Dort haben die Handwerker bereits gezeigt was sie drauf haben. Auch der auf der Zitadelle befindliche Hamam ist begehbar.

UPDATE 2014: Während des syrischen Bürgerkriegs wurde die Zitadelle Aleppos stark beschädigt, bietet sie seinem Besetzer doch ähnlich wie die Kreuzritter-Festung Krak des Chevaliers einen sehr guten Schutz sowie strategisch-taktischen Vorteil. Auch die historisch wertvolle Umayyaden-Moschee in Aleppo trug schwere Schäden davon als ein Panzer einen oder mehrere im Minarett sitzende(n) Scharfschützen töteten. Das aus dem 11. Jahrhundert stammende Minarett ist unwiederbringlich verloren.

Verwendete Fototechnik: Canon EOS 20D, Canon EF-S 10-22 f/3.5-4.5, Tamron 17-50 f/2.8, Tamron 28-75 f/2.8, Sigma 80-400 OS f/4.5-5.6

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