Okavango Delta – Afrikas Spreewald im Lauf der Zeit

Im März 2003 war Maun noch ein Dorf. Heute aber, 12 Jahre später, ist es eine Stadt. Ununterbrochen wird der Himmel vom Motorengeräusch der Flugzeuge zersägt, die hinaus ins Okavango Delta (kurz einfach nur Delta genannt) fliegen um den Heerscharen von Touristen den Blick von oben zu ermöglichen. Ab und an mischen sich sogar große Passagierjets darunter, denn Maun, die mittlerweile drittgrößte Stadt Botswanas, hat schon seit geraumer Zeit einen funktionierenden internationalen Flugplatz; was für uns Berliner einen höheren Seltenheitswert hat als ein Flug zum Mars ;-)

Maun ist aber auch Endstation für meine Mitreisende. Sie hat leider null Fähigkeit draußen im Busch zu leben, obwohl vorher alles glasklar bejaht wurde. Unterwegs zu sein im Busch stellt Anforderungen an Improvisationsvermögen, Kompromissfähigkeit und gegenseitige Hilfe. Selbstüberschätzung schadet in erster Linie anderen, nicht nur einem selbst. Auf dem Weg durch die Makgadikgadi und Nxai Pans, unserem letzten gemeinsamen Weg gen Endstation Maun, deuten sich bereits regenschwere dunkle Wolken an. Das lässt in Sachen Wetter fürs Delta auf wenig Gutes hoffen…

Ich fahre ein wenig weiter gen Westen zu den Lagunen von Etsha (gesprochen Et’sa), wo ich bereits vor 12 Jahren an der Westseite des Okavango Deltas Station machte. Die Gegend um das Camp Etsha 13 ist aber nunmehr in privater Hand. Dort angekommen, schicken mich die Inhaber in ziemlich arroganter Weise zurück woher ich kam, denn irgendein reicher Ami-Fettsack hat das komplette Camp über Weihnachten und Neujahr gemietet. Für mich bedeutet das einen Rückweg von 30 Kilometern bei max. 8-9 km/h. Klasse! Bevor ich mich aber geschlagen gebe gucke ich mich um, frage die Einheimischen und finde einen Ort zum Übernachten.

Der Randbereich des Deltas sind ziemlich trocken, heißt, der Okavango führt nicht allzu viel Wasser, was Myriaden von Ameisen einen temporären Lebensraum bietet. Auch die Fährmänner (im Englischen Poler genannt) sind über den Wassermangel nicht erfreut, denn was die Etsha-Lagunen angeht staken sie ihre Boote aktuell nicht durch wasserführende Kanäle sondern durch glibberigen Matsch. Auf diesen unsinnigen Kraftakt bestehe ich logischerweise nicht und versuche über Maun ins Delta zu gelangen.

Vielleicht liegt es an Maun, vielleicht ist es aber auch die touristische Entwicklung der letzten Jahre die meinen Mokoro Ride (eine Fahrt mit dem Einbaum) zum standardisierten Produkt werden ließ. Viel kreativen Freiraum ist nicht geboten wenn man im Tross der durch die Kanäle beförderten Touristenparade gefangen ist. Mir wurde eine US-Amerikanerin und eine Russin zugeteilt. Letztere ist ziemlich geschwätzig und quatscht, zu meinem und des Polers Leidwesen, den kompletten Tag ununterbrochen auf uns ein.

Die Krönung war jedoch, dass sie mitten im Delta einen Anruf aus Russland beantwortete, und auch entgegen nehmen konnte. Auch in dieser Hinsicht ist viel, zu viel passiert. Technischer Vorschritt und auch das Internet haben Afrika schon seit langem erobert, was zwar die Möglichkeit bietet im Notfall Hilfe herbeiholen zu können auf der anderen Seite aber auch den wilden Charakter von Savanne, Busch & Co. ins Fragwürdige zieht, wenn Funkmasten die Gegend verschandeln um den Facebook-Junkies, die ob ihrer Handysucht wie Untote durchs Dickicht irrlichtern, zu ermöglichen, jeden Furz den sie lassen ins Netz zu stellen.

Für mich stellt sich angesichts solcher Opfer die Frage warum man reist. Aus eigenem Antrieb oder aber für andere, einer gewissen Außendarstellung wegen. Klar, auch ich benutze Facebook und schieße auch Selfies, aber nicht bei jedem Atemzug sondern ~1x pro Woche, damit meine Daheimgebliebenen wissen mir geht es gut. Am geilsten sind dann aber immer noch diejenigen, die mit einem iPhone umher rennen und sich Wildlife Photographer betiteln :-) Aber das Problem liegt wahrscheinlich an mir, der ich derartiges „Selbstbewusstsein“ nicht ernst nehmen kann.

Wie eingangs erwähnt ist es Regenzeit. Die trübe Witterung, das sonst sehr flache Land und die noch flachere Perspektive des ins Boot und damit knapp über die Wasseroberfläche festgenagelt zu sein, bieten wenig fotografisch Interessantes. Dicke, regenschwere Wolken ziehen über das Land. Ab und an lockern diese Kaventsmänner sich auf, lassen Sonne und Himmel durch und lassen mich ein Foto vorm voraus fahrenden Einbaum schießen, dass ich mir nicht hätte träumen lassen.

Alles passt: Körperhaltung, Wolkenloch, dramatisches Licht. Plötzlich hält mein Boot an. Mein Bootsmann sieht in der Ferne Letschwe-Antilopen, eine Gattung der Wasserböcke. Diese scheuen Tiere sind im hohen Gras kaum auszumachen und verschwinden kaum das wir Land betreten.

Unsere Boote schrecken Waffenkiebitze und Blatthühnchen auf. Letztere waten wie Jesus übers Wasser, mit Hilfe der Seerosenblätter, was ihnen bei den Einheimischen den Namen Jesus Bird einbrachte. Entlang des Weges bekomme ich einen Fischadler, ein junges Krokodil und auch ein Flusspferd zu sehen. Das Hippo ist ein einzelgängerischer Bulle der uns den Weg versperrt

Wir müssen also über Land und treffen dort auf grasende Zebras und auch wieder auf Letschwe-Antilopen. Trotz der Wolken herrscht brütende Hitze und auch Hitzeflimmern. Ergo verschwimmen alle Konturen weiter als 100 Meter entfernt im Wabern der Luft, was ein Fotografenherz garantiert nicht allzu hoch schlagen lässt.

Und dann ist es leider auch schon wieder Zeit den Rückweg antreten zu müssen. Der Mokoro Day Trip, das Produkt des Ausflugs mit dem Einbaum entlang einer immer gleich lautenden Route, hat sein vordefiniertes Ende erreicht. Ein Produkt dessen gezahlter Preis nicht in die eigentliche Dienstleistung fließt, da die Poler von 90 bezahlten US$ nur ca. 5 erhalten. Sie werden von ihresgleichen, Schwarzen ausgebeutet.

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