Taupō – Vulkanzone und Identitätsstifter der Maōri

Vulkanismus erschuf Neuseeland und auch heute noch ist die Kraft aus dem Erdinneren omnipräsent auf der südpazifischen Insel; sei es in Form richtiger Feuerberge im Norden oder aber als Erdbeben im Süden. Wie auf einer Kette sitzend ziehen sich die Erscheinungsformen der Taupo-Vulkanzone durch das gesamte Land, beginnend beim White Island Vulkan über Tarawera, das farbenfrohe Geothermalgebiet Wai-O-Tapu nebst Rotorua und Tauposee, bis hin zu den Vulkanriesen Tongariro, Ruapehu und Mount Taranaki. Für die Maori, die Ureinwohner Neuseelands, ist die Kraft aus dem Erdinneren göttlichen Ursprungs. Darüber, über die Rolle James Cooks, die des weißen Mannes und ihr eigenes Identitätsgefühl, kam ich mit den Maori ins Gespräch, bevor ich auf dem Tongariro Vulkanmassiv zum rettenden Schutzengel wurde.

Zu Besuch bei den Maori

Nahezu jeder Neuseelandtourist guckt sich den White Island Vulkan an. Ich nicht. Warum? Nun ja, weil White Island für mich ein langweiliges touristisches Produkt ist. Ein bisschen Geblubber hier, ein wenig Gas dort, während man im Sog der 80 Personen zählenden Tourigruppe über die Insel gescheucht wird. Dazu gäb’s noch ein Guide der einen entmündigt, der vor Ort die Möglichkeiten limitiert weil er der Meinung ist, man sei ein Laie. Das Ganze darf man dann noch dreistellig bezahlen. Klasse! Wie gesagt, ohne mich ;-)

Natürlich habe ich versucht etwas auf eine Faust auf die Beine zu stellen um mir den Vulkan so anzugucken, wie ich es für notwendig erachte, vor Ort in Whakatane aber blocken ALLE Einwohner ab. Es gibt nur eine Firma die auf White Island anlanden darf, alle anderen werden von der Küstenwache abgefangen und mit einer Geldstrafe belegt, denn White Island ist Privatbesitz. Ärgerlich, aber derart entartete Vermarktungsformen beißen bei mir auf Granit, die lasse ich links liegen.

Euch doch noch White Island Bilder zeigen zu können verdanke ich meinem Freund und Vulkanfotografen Martin Rietze. Er steuert auch die später folgenden Luftbilder von der Tarawera Eruptionsspalte bei. Für mich ging die Reise ergo weiter zur Hawke’s Bay, wo mit Gisborne und der Poverty Bay jener Ort auf mich wartete, an dem der legendäre Captain James Cook 1769 erstmals neuseeländischen Boden betrat.

Die in die See hineinragende Landzunge südlich von Gisborne ist übrigens der berühmte Young Nick’s Head, benannt nach dem Schiffsjungen der nach der langen Seereise Cooks zuerst das Land am Horizont entdeckte. Auf der Fahrt nach Gisborne nehme ich einen Maori per Anhalter mit. Erzähle ich anderen davon, lässt jene Tat die weißen Neuseeländer erstarren und mit den Augen rollen. „Jesus, so etwas würde ich nie machen!“ höre ich zum Beispiel von Peter, der am Cape Kidnappers wohnt.

Der Hintergrund dieser Reaktion schnell erklärt. In der Region Gisborne wechselte das Land der Maori besonders betrügerisch von Ur- in Neueinwohnerhände. Die Maori definieren sich extrem stark über ihr Land, über ihre Herkunft und was der Weiße damals tat – die Maori wussten ja nicht wie ihnen damals geschah – hinterließ Spuren, die selbst heute noch mehr als spürbar sind, indem die Maori durch kriminelles Verhalten dagegen rebellieren.

Diese Rebellion geschieht in erster Linie in Form von straff organisierten Banden wie man sie hierzulande von z.B. den Hell’s Angels kennt. Mein Mitfahrer verschafft mir die Gelegenheit mich mit einer solchen Bande unterhalten zu dürfen. Als diese Schrank-großen Kerle meine Kamera sehen war erstmal ne große Menge Misstrauen am Start und auch mein blond-blauäugiges Antlitz sorgte nicht gerade für Jubelstürme und nen roten Teppich empfangen.

Das Ausschalten der Kamera sorgte für die notwendige Entschärfung und so traurig ich über die entgangenen Fotos bin, so froh bin ich über den dadurch ermöglichten gedanklichen Austausch, der letztlich auch intellektuelle Nahrung für meine spätere Fotoreportage über die Tölpel vom Cape Kidnappers war.

An Cook, den die Maori in der Hawke’s Bay „Crook Cook“ (Betrüger-Cook) nennen, lassen sie kein gutes Haar. Im Redeschwall vermischt sich Vieles. Der über Jahrzehnte angestaute Frust und Ärger entlädt sich final am Symbol des englischen Seefahrers. Steigbügelhalter dieses Zorns der Maori waren aber jene Weißen, die die Ureinwohner nach Strich und Faden verarschten und sich deren Identität stiftende Land ergaunerten.

Und sind wir mal ehrlich, im Verarschen, Wegnehmen und egozentrischen verfolgen von Eigeninteressen ist die weiße Spezies Mensch ziemlich gut. Das selbsternannte Land der Freien, die USA, betreiben das auch heute noch mit Perfektion.

Eigentlich mag ich diese Touristenshows ja nicht, dennoch schaue ich mir den Mummenschanz in Rotorua an, wo im Süden der Stadt nicht nur ein geothermal aktives Gebiet liegt, sondern mit Te Whakarewarewa auch ein Kulturzentrum der Maori, denn hier hat sich Gaia, die Göttin der Erde, den Hawaiianern auch als Pelee bekannt, niedergelassen und wärmt die Erde mit ihrem Feuer. Rotorua bedeutet übrigens übersetzt „die zwei Seen“.

Zu jeder vollen Stunde wird dort das Willkommensritual aufgeführt, welches von dicht gedrängten Menschenmassen beobachtet wird. Die Maori sind ein stolzes Volk, zu Recht, und steht in den Gesichtern der im Hintergrund wirkenden Ureinwohner Argwohn geschrieben, wenn Besucher ihre Darbietung mit wenig Respekt verfolgen und sogar lachen, z.B. über die Gesichtsausdrücke beim Begrüßungstanz.

Dieser fehlende Respekt äußert sich z.B. in Form von Menschen, die klassische Maori-Tattoos per Stempel anbieten. Kostenpflichtig natürlich. Nicht wenige Touristen, speziell die asiatischen, machen davon Gebrauch und lassen sich sogar das Allerheiligste bestempeln, den Kopf.

Für die Maori ist das gleichbedeutend wie für Katholiken die Aufführung von „Das Leben des Brian“ im Petersdom (rein kulturell-religiös betrachtet). Obendrein versuchen speziell die asiatischen Touristen dann vor ihren iPads und iPods tätowiert die Maori-Tänze nachzuahmen, was in nichts weiter als infantilem Gehampel, Geschrei und Rumspinnen mündet.

Nachdem die Busladung Koreaner durch den Park geschleust wurde, nehme ich Kontakt zu John und Sarah auf, die als Organisatoren fungieren. John war durch die Koreaner angepisst. Mit ihm war verständlicherweise nicht zu reden. Sarah aber öffnete das Nähkästchen und fing an zu plaudern. Für sie ist die Ankunft des weißen Mannes eher positiv besetzt.

Immerhin hat unser Wissen (z.B. das medizinische) den Lebensstandard als auch die Alterserwartung enorm steigen lassen. Für sie als Frau bedeutete die Ankunft des weißen Mannes vor allem selbstbestimmter leben zu können und nicht zwischen Stamm A und B verheiratet zu werden als ob sie eine Ware wäre.

Ein paar Monate später, beim Fotografieren der pittoresken Stockholmer U-Bahn, treffe ich im Hotel auf einen jungen Neuseeländer, der mir weiß machen will, dass die Sprache der Maori eine tote Sprach sei. Nun ja, ein Land, dessen Ortsnamen zu ~90% aus der Maori-Sprache stammen, haucht der totgeglaubten Sprache der Maori mehr Leben ein, als manch Minderbemittelter an Denkvermögen im Kopf mit sich rumträgt.

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