Geisterstadt Kolmannskuppe – Diamantenfieber in der Namib-Wüste

Gemessen an Großbritanniens und Frankreichs imperialen Bestrebungen, begannen Deutschlands koloniale Abenteuer spät. Eine dieser, selbst in unseren Tagen noch Fernweh auslösenden Liaisons war Deutsch-Südwest, das heutige Namibia, wo um die Jahrhundertwende Diamanten gefunden wurden. Die Geschichte dieses Booms erzählt die Geisterstadt Kolmanskop, das einstige Kolmannskuppe, die reichste Kommune Afrikas, die nur des Abbaus der Glitzersteine wegen existierte und heute von der Namib-Wüste zurückerobert wird.

Gleisarbeiten ins Glück

Wüsten sind trotz ihrer Einöde, entgegen der eintönigen Dominanz von Gestein oder tausenden Tonnen Sands, durch und durch magische Orte. Vielleicht war es jene Magie die Glücksritter wie Adolf Lüderitz aus Bremen anstachelte, ins für damalige Verhältnisse extrem ferne Namibia aufzubrechen und den Handelsaußenposten Lüderitz zu gründen. Bei Bauarbeiten an der Südbahn der TransNamib, genauer gesagt von Lüderitz nach Seeheim, offenbarte die Wüste, beim Vorhaben die Siedlung am Atlantik mit dem Inland zu verbinden, einen nach menschlichen Maßstäben gewaltigen Schatz: Diamanten.

Das Diamantenvorkommen im Süden Namibias, im Dreieck zwischen Lüderitz, Aus und Oranjemund ist so ergiebig, dass die abbauende Firma selbst bis ins Jahr 2050 noch satt davon zehren kann. Die Entdeckung der Edelsteine um die 19. Jahrhundertwende führte zum Diamantenfieber, dessen stummer Zeuge, die Diamantengräber-Stadt Kolmannskuppe, kurz vor Lüderitz zu finden ist. Nomen est Omen, denn Kolmanskop, der Name auf Afrikaans der von der Namib aufgefressenen Geisterstadt, leitet sich vom Nama Johnny Coleman ab, der einst dort im Wüstensand mit seinem Karren stecken blieb und so zum Eponym avancierte.

Sowohl  Vorkommen als auch Handel mit dem Rohmaterial jener Glitzersteine katapultierte das wenige, circa 1300 Seelen umfassende Kolmanskop in den Olymp des Wohlstands, und so war dieses kleine Nest, man höre und staune, einmal Afrikas reichste Stadt; einige Zungen behaupten sogar die reichste der ganzen Welt, denn vor dem ersten Weltkrieg, in den ersten 6 Jahren, wurden sage und schreibe über 1000kg Diamanten gefördert, was ca. 5 Millionen Karat entspricht. Nun sind Glanz und Gloria eine kurzweilige und oberflächliche Gesellschaft, und so verlagerte sich der Abbau im Laufe der Zeit schnell ins südlichere Landesinnere, hin zur Küstenlinie und weg von Kolmanskop. Die Letzten gingen 1956.

Von der Geschichte jener Gold-, oder besser gesagt Diamantengräbertage, zeugen heute nur noch die Überreste der aus den Dünen der Namib wie Eisbergspitzen aus dem Atlantik guckenden Häuser. Der Wüstensand, vorwärts gepeitscht von teils herkulischen Westwinden, kennt keine Gnade. Er dringt überall ein und füllt die Räume der Kolmannskuppe derart auf, dass jede Indoor Beach Bar vor Neid erblasst. Die Wüste überflutet aber auch regelmäßig die einzige befestigte Straße dieser Region, die B4, die de facto jeden Tag aufs Neue von Radladern geräumt werden muss. Für die verlassenen Häuser der unweit dieser Straße gelegenen ehemaligen kolonialdeutschen Mineursstadt scheint die letzte Messe allerdings gesungen.

Erkundung der Geisterstadt

Es ist früh am Morgen. Die Sonne ist gerade erst aufgegangen. Ich stelle mein Auto in den nicht vorhandenen Schatten lege los. Das Betreten des Diamantensperrgebiets, Kolmanskops ist Teil dessen, ist erst einmal verboten. Um dies zu egalisieren, muss man sich vorher nach Lüderitz begeben und dort eine Erlaubnis einholen. Professionelle Fotografen, bzw. Leute die sich frei bewegen wollen, benötigen sogar eine noch speziellere Genehmigung.

Genau wie Lüderitz ist auch die Kolmannskuppe von der Architektur der wilhelminischen Epoche deutscher Geschichte geprägt, nur halt mit dem Unterschied, dass die schnuckeligen Häuser Lüderitz‘ noch mit Leben gefüllt sind. Wie mag Kolmanskop damals wohl ausgesehen haben, als alle Häuser noch so richtig gut in Schuss waren?

Der in die Häuser eindringende Wüstensand, die sengende Hitze, der Kontrast zwischen morgendlicher Australsonne und dunkelstem Schatten, setzt diesen ehemaligen Außenposten des kolonialen Deutschlands in Szene. Trotz seines Niedergangs kann man an vielen Häusern noch erkennen, wer hier einst gewohnt oder was hier geschehen ist, und so ist zum Beispiel die ehemalige Schule gut erkennbar. Wie muss es wohl gewesen sein als Sechs- bis Siebenjähriger hier, inmitten der Namib-Wüste, nicht nur das Lesen und Schreiben erlernt sondern auch gespielt zu haben?

Büros exponierter Persönlichkeiten, wie das des Bergbauingenieurs, und spezielle Orte, wie Schule und Krankenhaus, sind dank der Beschriftung auch heute noch problemlos identifizierbar. Das Hospital beherbergte einst das erste Röntgengerät der Südhalbkugel; genutzt nicht nur medizinischer Diagnosen sondern vielmehr des Durchleuchtens von potentiell Diamanten stehlenden Arbeitern wegen. Heißt, es gab vielerorts sogar Elektrizität, wovon die vielen verwahrlosten Lichtschalter und Sicherungskästen zeugen. In der Ferne hüpft ein überraschter Springbock hastig von dannen. Es gibt also doch noch Leben hier. Kolmanskop ist kein Geheimtipp mehr und so sind mancherorts Spuren neueren Datums zu finden. Der Sand dokumentiert die Anwesenheit von Mensch und Tier. Es mischen sich Fährten gelegt von Nebeltrinker-Käfern und von Schuhgröße 42.

Zerborstene Fensterscheiben bringen den Wind zum Singen. Der Wind wiederum bringt jene Glasfragmente zum Klappern. Der Zustand der Gebäude differiert stark. Manch auf den ersten Blick fragil wirkendes Außenklo könnte man heute noch problemlos besuchen, vielleicht sogar benutzen, während eigentlich stabiler wirkende Konstrukte einem drohen auf den Kopf zu fallen. Vielleicht sind einige Dächer ob der Sandlast eingebrochen, vielleicht war es aber auch Vandalismus als die Zelte abgebrochen werden mussten, denn herumliegende Türen und Fenster kann man wohl schlecht auf Wind, Wetter oder Nebeltrinker-Käfer zurückführen.

Manch Gebäude, manch Raum ist komplett vom Sand erobert. Durch die mit Brettern und Blech vernagelten Türen wie Fenster plärrt die unerbittliche Wüstensonne und erzeugt Kontraste, die härter nicht sein könnten. Vielerorts ist die Tapete noch erhalten und es ist irgendwie lustig, dass derartige Wandmuster heute in Berlin wieder „hipp, geil und in“ sind. Ebenfalls erstaunlich gut sind die Wandfarben noch erhalten, und so erstrahlt das Innere Kolmanskops nicht selten in intensiven Blau-, Grün- und Rottönen.

Ohne festes Schuhwerk sollte man die große Kolmanskop-Tour nicht starten, denn neben unzähligen Scherben ist auch die Zahl der aus irgendwelchen Brettern ragenden Nägel exorbitant. Durch die alten Fenster schauend, schweift der Blick in die endlos erscheinende Ferne der Wüste, die jäh von Fahnen Staub aufwirbelnder LKWs unterbrochen wird. Keine Ahnung was genau die geladen haben und durch die Gegend karren, das Treiben aber ist für einen derart abseits gelegenen Ort recht emsig.

Jenes Treiben ist aber auch eines anderen Grundes wegen eifrig, denn mittlerweile wird der touristische Schatz den dieser Ort verkörpert sukzessive gehoben. Unglaublich aber wahr, Kolmanskop wird Schritt für Schritt in ein Museum umgewandelt, was zahlende Touristen anzieht, die in den späteren Morgenstunden auch alle eintreffen, was letztlich aber auch den verlassenen Charakter der Wüstenstadt buchstäblich auf der Strecke bleiben lässt, wenn drapierte Möbel und hunderte Selfies schießende Spinner den Wüstensand verdrängen. Einige dieser Gebäude sind bereits rekonstruiert, der Rest der Stadt wartet noch darauf.

Ich kehre zum im nicht vorhandenen Schatten stehenden Geländewagen zurück. Alle Türen aufgerissen, braucht es gute 10 Minuten um das Wageninnere,  von 60 auf ~30°C herunter zu „kühlen“. Der ständig pustende Westwind hilft dabei glücklicherweise. Ich setze mir die dritte Flasche Wasser an den Hals um das H2O-bedingte Gluckern in meinem Bauche nicht enden zu lassen und begebe mich auf die Tour zurück ins Landesinnere Namibias, entlang der alten Bahnstrecke Seeheim-Lüderitz, deren Bauarbeiten die Diamanten entdecken ließen.

PS: Und da die Damen und Herren der NamDeB gern im Netz spionieren, um zu gucken und zu verklagen wer Kolmanskop-Fotos veröffentlicht, sage ich hier gleich vorbeugend: Diese Fotoserie ist vollständig unkommerziell. Es wurde und wird damit kein einziger Cent Umsatz erwirtschaftet. Ich erfülle damit nicht einmal ansatzweise den Tatbestand der Arbeitsaufnahme in Namibia.

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