Mit Frack und Brille – Die Pinguine von Simon’s Town

Pinguine verbindet man eher mit Eis und Antarktis statt mit Hitze und Afrika. Im Süden Kapstadts, im Fischerstädtchen Simon’s Town, lebt eine der bekanntesten und zugänglichsten Kolonien der Welt: die Brillenpinguine vom pittoresken Boulders Beach.

Leben auf dem Strand

Es ist unglaublich windig, sowohl damals, einem Mittwochmorgen im Januar 2015, als auch heute, einem Samstagnachmittag im Februar 2017. Das Wetter peitscht den Sand über den Boden und auch der sonst relativ ruhige Ozean schäumt beachtlich. Die Table Mountain Cable Car fährt schon seit mehreren Tagen nicht gen Gipfel, in Simon’s Town aber, südlich der südafrikanischen Metropole Kapstadt gelegen, macht das Leben keine Pause, denn ein paar gut angezogene Männchen gehen ins Meer zum Fischen.

Glücklicherweise hat sich die Kolonie der ortsansässigen Brillenpinguine wieder stabilisiert. Wohin die Augen auch schweifen, sieht man kniehohe Frackträger, die sich in den ersten Morgenstunden vor allem dem Aufwärmen durch die ersten Sonnenstrahlen als auch der gegenseitigen Gefiederpflege widmen. Aneinander gekuschelt trotzen die Tiere dem Schmirgeln des fliegenden Strandsands oder aber verziehen sich auf jene hohe runde Felsen, die dem Boulders Beach seinen Namen gaben.

In kleinen Grüppchen watscheln die Tiere aus dem Dickicht hinunter zum Strand und tasten sich in die Fluten vor. Kaum sind sie im Wasser, weicht der unbeholfene Gang einem eleganten Schwimmen. Hier, am Boulders Beach, kann man sich sogar gemeinsam mit den Pinguinen in die Fluten stürzen.

Die Tiere umkreisen den Schwimmer neugierig und so kommen sich Vogel und Mensch im immer noch recht kalten Wasser der False Bay Schritt für Schritt näher, so ähnlich wie Planeten auf einer Umlaufbahn. Ein unvergesslich schönes Erlebnis, dass sich bereits 2003, bei meinem ersten Besuch Südafrikas, ins Gedächtnis brannte und das ich immer wiederhole, sobald ich in Kapstadt bin.

Früher gab es keinen Zaun, so dass Bewohner von Simon’s Town durchaus des Öfteren Pinguine im Haus hatten. Heute ist die Kolonie geschützter, vor allem vor Katzen und Hunden, aber auch der Strom der Besucher ist gelenkter und das Gro der Touristen marschiert eher ins Besucherzentrum  denn an den Strand. Grundsätzlich aber sind die kleinen Frackträger ziemlich abgebrüht wenn es zum Kontakt mit Menschen kommt. Wenige Tiere sind scheu und lassen Touristen wie Badegäste bis auf wenige Zentimeter an sich heran.

Kommt man allerdings zu nah – jeder Vogel definiert diese Schwelle, genau wie wir Menschen, selbst – dann wird schon mal geschnappt, was bei einem scharfkantigen, mit widerhakenähnlichen Zähnen besetzten Schnabel, der an seiner Spitze sogar noch einen Haken aufweist, definitiv eine schmerzende und bleibende Erinnerung hinterlässt. Die Scherkräfte die ein Pinguinschnabel entwickeln kann sind beachtlich; und das muss auch so sein, um als erfolgreicher Fischjäger seine Küken ernähren zu können.

Die Brillenpinguine vom Boulders Beach – die Art heißt so wegen des rosa Flecks rings um die Augen – sind bei weitem nicht die einzigen. Entlang der Küsten des südlichen Afrikas gibt es sogar in Namibia immer mal wieder Kolonien von Afrika-Pinguinen. Diese Siedlungspunkte sind so alt, dass selbst Felsmalereien und -gravuren der Nomaden und Ureinwohner davon erzählen.

Die Kolonie von Simon’s Town bei Kapstadt ist jünger. Die ersten Pinguine wurden hier 1982 gesehen. Seitdem wuchs die Population auf aktuell ca. 3000 Tiere an, was vor allem dem Rückgang des kommerziellen Fischfangs von Sardinen und Anchovis in der False Bay zuzuschreiben ist. Die Boulders Beach Kolonie ist bei weitem nicht die größte, aber dennoch die zugänglichste Gemeinde von Frackträgern. Sie werden  definitiv nicht nur Kinderaugen zum Leuchten bringen.

Ihr größter Feind ist der Mensch

In Kapstadt lässt der Sommer das Thermometer schon mal auf 35°C klettern und in Namibia, an der Küste des Richtersvelds, kratzt es regelmäßig an der 50°C Marke. Das klingt nicht nach idealen Bedingungen für Tiere, die eher kalte, sehr kalte Breitengrade bevorzugen. Die größte Aktivität herrscht daher in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden. Tagsüber, wenn die große Glimme regiert, dann zieht es die Vögel eher in den Schatten.

Das kalte Wasser des von der Antarktis an der Westküste Afrikas entlang fließenden Benguelastroms ist äußerst nährstoffreich. Die gesamte Nahrungskette der maritimen Fauna profitiert davon, hier am südlichen Ende Afrikas. Und genau deswegen haben sich die Pingus dauerhaft entlang der Südwest- und Westküste des Kontinents angesiedelt, der großen Masse an zuvor erwähnten Sardinen und Anchovis wegen.

Die größten ihrer Art werden circa 70cm groß und bis zu 3,5kg schwer. Die Jungen hingegen füllen gerade mal eine hohle Hand und rufen sofort nach Fütterung sobald auch nur eines der Elternteile am Nest vorbeiläuft. Die natürlichen Bruthöhlen sind mittlerweile rar, und so hilft der Mensch mit Bruthöhlen aus Plastik. Sind diese besetzt, dann brüten die Vögel in einer Kuhle direkt auf dem Strand. Natürlich ist dieser Teil der Küste genauso wie der Kern der Kolonie für Besucher gesperrt.

Aus genau aus einer solch alten Bruthöhle in der Erde piepst und quietscht es ununterbrochen. Muttern ist soeben heimgekehrt und die wenige Tage alten Küken wissen instinktiv, dass es jetzt was zu futtern gibt. Munter schnäbeln sie drauf los und teilen ihren Hunger mit. Muttern lässt sich nicht lange bitten, öffnet ihren Rachen und würgt feinsten vorverdauten Anchovis wieder hoch ;-)

Wenn sie nicht wie Gartenzwerge rumstehen und dösend den starken Wind abwarten, dann ist gegenseitige Gefiederpflege, das aneinander Rumzupfen und Richten der Federn zentrales Thema eines Pinguin-Daseins. Es offenbart die sehr enge Partnerschaft der Tiere und die Zusammengehörigkeit von Pärchen. Und auch im Wasser als auch auf der Jagd geht’s zwischen den Pinguinen genauso gesellig zu wie in einer Alt-Berliner Kneipe vor der Wende. Da ragen dutzende schwarze Bürzel in die Höh, es wird geplantscht und geschnattert.

Wenn es aber um Brutplätze geht, dann gibt’s kein Pardon, dann ist Hipsterei angesagt. Dann wird, um auf das neue Berlin zurückzukommen, jeder Vorbeilaufende mindestens angeschnattert, wenn nicht sogar gezwickt, weil man meint die höhere Miete zu zahlen. Bei den deutlich sympathischeren Pinguinen ist das ein wichtiges Überlebensinstrument, bei widerlichen Neu-Berlinern hingegen nichts weiter als trauriges Geprolle und Selbstüberschätzung.

Weiter unten am Strand fangen zwei Pinguine an sich zu umtanzen. Die Augen ablenkungsfrei auf den Partner gerichtet, mündet ihr Ballett ohne viel Federlesen in einem Schäferstündchen direkt auf dem Strand. Neues Leben entsteht, während der Wind die Frackträger mit Strandsand schmirgelt. Ein anderer Pinguin wiederum watschelt auf der Suche nach Nistmaterial den ganzen Strand ab. Stolz wie Bolle bringt er seinen Fund zurück zum Nest.

Gemessen an der Zahl der Jungtiere scheint es den Vögeln nicht schlecht zu gehen und die Kolonie wirkte bei meinen Besuchen 2015 und 2017 stabil. Der Schein trügt. Der Mensch ist und bleibt ihr größter Feind. Wer von täglich herbeiströmenden Touri-Selfie-Idioten weiß schon, dass sich die Zahl der Frackträger Südafrikas von ~1,5 Millionen Tieren zu Beginn des 20. Jahrhunderts um über 90% auf circa 60.000 Vögel reduzierte? Zwischen 1900 und 1930 wurden allein aus der Dassen Island Kolonie sage und schreibe um die 13 Million Pinguineier in die Pfanne gehauen. Richtig, um Pinguin-Rührei, eine Delikatesse zu produzieren…

Auch der Abbau von Guano, der düngend wirkenden Stoffwechselhinterlassenschaft der fischfressenden Frackträger, hat für die Pingus harte Einschnitte hinterlassen; besonders auf St. Croix Island. Hinzu kommen Verschmutzung bzw. Verölung des Wassers oder aber von Algen produzierte Biotoxine. Seit 2000 ist die Population aller südafrikanischen Pinguin-Kolonien im Schnitt um 60% gesunken. Ich wünsche mir von Herzen, dass diese zauberhaften kleinen Kerle nicht verschwinden.

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