Kairo – laut, dreckig, unsympathisch
Der Sandsturm im Wadi Rum machte meine Pläne einen Abstecher zu machen zunichte. Von daher verschlug es mich direkt nach Akaba, um von dort nach Ägypten einzureisen. Ich spielte im Bus die die beiden Szenarien durch Jordanien zu verlassen und auf den Sinai zu gelangen. Die eine Variante ist die schweineteure Fähre, die andere der preiswerte Landweg über Israel. Da sich allerdings diverse arabische Visa in meinem Pass befanden, hatte ich keine Lust durch die paranoiden Israelis 5-6 mal befragt zu werden wie ich heisse, woher ich komme. Jede einzelne Befragung bringt das Aus- und wieder Einräumen des kompletten Gepäcks mit sich…
Von dieser Variante wenig angetan, fuhr ich gleich zum Fährhafen um mein Ticket für den Transfer nach Nuweiba zu lösen. Auch Jordanier können höllisch bürokratisch sein. Nachdem ich mit vollem Gepäck zu ca. 7 verschiedenen Stationen geschickt wurde (Ausreisesteuer, Ticket, Geld tauschen, Pass stempel, Ticket validieren lassen, … … …), ging es dann gegen 13:00 los. An Bord angekommen, hörte ich nur noch das sauertöpfisch-schwäbische Kommando “Laß die bloß net hier am Fenster sitzen, des Pack!” Mit einem preußisch freundlichen Hinweis, wie armselig und widerlich das sei, verschwand ich in den vorderen Sitzreihen des Schiffes. Typische Neckermann Pauschaltouristen, die meinen mit den 3 Euro die die Reise kostete, das ganze Schiff gekauft zu haben. Leider sind auch solche Menschen Deutschland…
Besitzt man noch kein Visum für Ägypten, so wird der Pass zunächst vom Einreise-Beamten einbehalten. In Nuweiba kann man das Visum in Form zweier Briefmarken erstehen und dann zurück zur Immigration dackeln. Kaum hatte ich den Pass wieder in der Hand, wollte ich die Busstation aufsuchen, um es vielleicht am gleichen Tag noch nach Kairo schaffen zu können. Der Hafen ist offen, offen wie ein Scheunentor. Doch artig, brav und deutsch geht man durch die Tore des Zolls.
Lektion 1: Ägypten = null Weitsicht & null Respekt vor dem Eigentum Anderer
Der Herr vom Zoll muss früher wohl in einem Steinbruch gearbeitet haben. Jedenfalls schmiss er sämtliches Gepäck nach dem Durchleuchten auf den Boden. Gift für Wasserpfeifen. Die reich, aber dezent verzierte Flasche meiner original Damaszener Nargile hielt dieser Attacke natürlich nicht stand. Mit den Worten “Du kannst Dir hier überall eine neue kaufen!” war die Sache für Ägypten scheinbar erledigt. Nicht mit mir… Mit eisigem Blick gab ich ihm zu Verstehen, dass ich auf der Stelle eine neue Wasserflasche, oder aber den Gegenwert haben will. Ich, auf dieser Position verharrend, hatte ihn nach 15 Minuten weich gekocht und bekam eine Ersatzflasche. Das diese von erheblich minderer Qualität und wesentlich schlechter gearbeitet worden war, störte nicht. Nach überreichen dieses einfach nur unterdurchschnittlichen Gefäßes, wurde ich hinaus komplimentiert und suchte die Busstation auf, von der prompt ein Bus nach Kairo startete. Warum Lektion? Weil mir in Arabien dieser Charakterzug niemals, jedoch aber während meines Ägyptenaufenthalts ständig begegnete…
Lektion 2: Rücksicht, was ist das?
Nervtötend ist die Vorliebe der Ägypter, ihre Lieblingsklänge laut auf dem Handy hören zu wollen… Auf der Fähre, als auch in den Bussen trifft man genug Leute an, die der Meinung sind, die Ruhe der Anderen selbst nach Aufforderung stören zu müssen. Hat man dieses Problem in den Griff bekommen, steht das nächste schon vor der Tür: exzessives Rauchen in Bussen, auf Fähren und sonstwo. Ohne auch nur einen Funken Verstand zu zeigen, noch nicht einmal gegenüber Kindern, steckte sich die Raucherminorität im ohnehin schon stickigen Bus Kippe nach Kippe an. Auch hier schritt ich ein, sonst wäre ich geräucherter als eine Forelle in Kairo angekommen. Auch in den Hotels trifft man wenig Rücksichtnahme an. Da wird nachts um 2:00 in der Rezeption losgequatscht, als ob es hellerlichter Tag wäre. Ein Einzelfall? Weit gefehlt… Vier verschiedene Hotels, vier Mal wurde seitens der Gastgeber die Ruhe der zahlenden Gäste gestört, und das nicht nur ein Mal je Nacht. Als es ans Bezahlen ging, da jedoch war man hinter der Kundschaft penetranter hinterher, als der Teufel hinter der Seele. Am besten im Voraus und in voller Höhe. Warum Lektion? Weil mir auch dieser Charakterzug zu oft begegnete, als das er als Eintagsfliege dargestellt werden könnte.
Lektion 3: niemandem auf der Strasse glauben
Trifft man in Jordanien oder Syrien Menschen auf der Straße, dann sind die Fragen, wie es einem geht und woher man kommt sehr sehr oft ehrlich gemeint. Als Mitteleuropäer kann man durchaus sein Schutzschild fallen lassen und in die arabische Kultur eintauchen. In Ägypten ist das anders… Jegliche Kommunikation wird mißbraucht, dem Touristen irgendwelchen Ramsch, von “real ancient papyrus” bis hin zu “very old coins” zu verkaufen. Dabei ist Obacht geboten, der Werber kassiert im Erfolgsfall eine Kommission, welche garantiert nicht aus dem Portemonaie des Händlers entstammt, also eingepreist ist. Ich fühlte mich doch leicht an Westafrika erinnert…
Lektion 4: laut und stickig
Für den Chamsin kann Ägypten nichts. Dieser sandige Wüstenwind sucht die Stadt leider allzu häufig heim und taucht das Tageslicht in ein gespentisches gelb. Luftverschmutzung hingegen entstammt menschlicher Existenz. Verbringt man auch nur wenig Zeit in den Ausdünstungen von ca. 11-12 Millionen Autos mit vornehmlich ungefilterten Dieselmotoren, so brennen einem bereits nach kurzer Zeit Augen und Atemwege. Wenn man nur noch über die Straße kommt, indem man über die Motorhauben klettert, da die Autos Stoßstange an Stoßstange stehen, dann ist das schon mehr als erschreckend.
Lektion 5: wenig Flair
Ägypten kann auf eine einzigartige, Jahrtausende alte Kultur zurückblicken. Warum nur wirkt das viel gepriesene Ägyptische Museum dann in vielen Abteilungen wie ein ALDI Markt im Nordrhein-Westfälischen? Warum stellte sich bei mir nicht dieser Boah-Effekt ein, als die Pyramiden vor mir auftauchten? Die Stadt ist ein Moloch, in dessen Straßengräben Pferde und andere Tiere verwesen und dessen Hektik bis an die Ränder der Sahara reicht.
Lektion 6: Behörden
Erst nachdem ich ein “Sondereintrittsgeld” an ein paar gewissen Tourismus-Polizisten zahlte, stand mir der Eintritt in das Pyramidenareal frei. Englisch? Fehlanzeige… Ein Staat der derartig auf Tourismus als Einnahmequelle setzt, stellt an jeder Ecke Polizisten auf, die mehr Furcht als Sicherheit verbreiten und natürlich nicht international kommunizieren können. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon war in der Stadt. Vielleicht wollte man mehr Schein als Sein vortäuschen oder aber die Leute vor Demonstrationen abschrecken? Als mir ein Teil meiner Ausrüstung geklaut wurde, half mir niemand dieser Statisten. Nach über 6 Stunden Irrfahrt durch die Instanzen, schwand auch die letzte Chance den Räuber zu fassen. Seinen allabendlichen Milchreis wegen eines beklauten Touris kalt werden zu lassen? Nicht mit ägyptischen Polizeiinspektoren…
Ägypten füllt die charakterliche Lücke zwischen den oftmals durch Materialismus versauten Westafrikanern und den herzlichen und ehrvollen Arabern. Sicherlich wird es Ausnahmen von dieser Regel geben. Mir zumindest sind diese Ausnahmen bei meinem Ägyptenaufenthalt nicht begegnet. Schade.