75 Jahre – 75 Ehrenmale – Etappe 6: Seelower Höhen und die sowjetischen Ehrenmale des Tors nach Berlin

Etappe 6 des Fotoprojekts „75 Jahre – 75 Ehrenmale“ führt mich zur Gedenkstätte Seelower Höhen, wo der größten Schlacht auf deutschem Boden gedacht wird. Zuvor geht es allerdings von Müncheberg durch die Märkische Schweiz nach Buckow, dann Neuhardenberg und Platkow, auf insgesamt ~90 Kilometern nach Seelow, Alt Mahlisch, Heinersdorf und Steinhöfel, um in Fürstenwalde (Spree) zu enden.

Hier findest Du die 1. Etappe2. Etappe3. Etappe4. Etappe5. Etappe6. Etappe7. Etappe dieses Fotoprojekts

Steinalte Steinstraßen massieren sich in meinen Unterleib

Falls man wissen will, wie sich die hölzerne Achse eines mittelalterlichen Ochsenkarrens fühlt, dann braucht man nur von Alt Mahlisch nach Heinersdorf zu radeln. Kurz hinter Lietzen scheint die Straße gefühlte Jahrtausende überlebt zu haben, so alt ist das Kopfsteinpflaster. Es rammt den Sattel verstetigend in den Unterleib und nimmt die Zeugungsfähigkeit unter ein Trommelfeuer Schukow’schen Ausmaßes.

Doch lasst uns diese Geschichte dort beginnen, wo ich auch meine Radtour starte, in Müncheberg. Eine Radtour, deren Verlauf relativ gut jene Frontlinie wiederspiegelt, welche Mitte bis Ende April 1945 vorlag, als Schukows 1. Belorussische Front vom Oderbruch gen Berlin marschierte. Das sowjetische Ehrenmal von Müncheberg befindet sich direkt an der Karl-Marx-Straße, welche vor dem Bau der Ortsumfahrung zur vielbefahrenen B1 gehörte. Die Kriegsgräberstätte ist letzter Ruheplatz für 239 Gefallene. Zwei Elemente dominieren den Ort optisch. Zum einen die große Scheibe mit dem Sowjetstern und den Wappen. Zum anderen mit der großen Betonskulptur eines Rotarmisten am oberen Ende.

Es geht auf nach Buckow, dem Zentrum der Märkischen Schweiz. Die Fahrt an diesem Morgen ist wunderschön ruhig und führt durch Natur pur. Auch Buckow weiß mit historischem Kopfsteinpflaster aufzuwarten. Es würde mich nicht wundern, wenn der Stoßdämpferverbrauch pro Kopf hier die Bundesobergrenze definiert. In der Lindenstraße angekommen, stehe ich auch schon vor dem sowjetischen Ehrenmal von Buckow.

Mit einer aufrecht stehenden, silbernen Tragfläche und einem Propeller zu seinen Füßen, ehrt und erinnert das Ehrenmal in Buckow primär an die Luftwaffe der Roten Armee. Es ist klein aber fein und letzte Ruhestätte für 146 Gefallene, deren Gros Anfang Mai 1945 buchstäblich in den letzten Kriegstagen den Tod gefunden hat.

Fotos und Film sind schnell im Sack, als mir der Atem stockt. Die Speicherkarte meiner Canon 1DX Mark II ist voll und altes Material lässt sich nicht löschen. Die Speicherkarte scheint nicht rund zu laufen. Sch*** Kurz überlege ich abzubrechen, entscheide mich dann aber für knallharte Bildselektion noch vor Ort und erhalte so Speicherplatz für 133 Bilder, den ich mir für den Rest der Reise gut einteilen muss.

Schinkelkirche, Schloss und jede Menge Landluft

Bevor es nach Neuhardenberg geht, schickt mich das Routing den wohl Brennnessel lastigsten Single Trail Buckows rauf, und auch wieder runter. Wunderschön… Das Brennen der Nesseln soll ja gegen Rheuma helfen, was in meinem Fall dann wohl für zwei Leben reichen wird. Neuhardenberg ist nach 12 Kilometern schnell erreicht. Das sowjetische Ehrenmal in Neuhardenberg kann man aber schnell übersehen. Nicht der pittoresken Schinkelkirche oder aber des Schlosses wegen, sondern ob seiner Ebenerdigkeit.

Das Ehrenmal im ehemaligen Marxwalde ist ein großer Sowjetstern mit vier Grabtafeln und befindet sich auf dem Schlossvorplatz (Schinkelplatz). Die relativ kleine Anlage erinnert an 156 gefallene Rotarmisten und ist von einer großen, millimetergenau gepflegten Rasenfläche umgeben. Die weitere Route führt mich über Platkow nach Seelow. Ziemlich genau in der Mitte zwischen Neuhardenberg und Platkow heißt es tieeeeef Luft holen, denn sonst raubt einem die Biogas-Anlage buchstäblich den Atem.

Platkow, was von Berlinern schnell Kuhbläke genannt würde, ist so klein, dass man es mit dem Dorf Gusow zusammenlegte. Das sowjetische Ehrenmal von Platkow liegt direkt an der B167 und ist ein Sammelgrab für 85 Gefallene. Das Datum der Grabtafeln entspricht mit 16. bis 18. April 1945 der Schlacht um die Seelower Höhen. Platkow, das Dorf als auch seine Bewohner, war mittendrin, als damals die 1. Belorussische Front mit über 1 Million Soldaten auf die deutsche Verteidigung, die Heeresgruppe Weichsel traf.

Von dieser größten Schlacht auf deutschem Boden, deren Beginn ein Trommelfeuer von 14.000 Geschützen markierte, erzählt die nächste Station meiner Radtour, die Gedenkstätte Seelower Höhen. Jedes Geschütz konnte mindestens 3- bis 4-mal in der Minute feuern. Die Kanonade dauerte eine gute halbe Stunde. Das Gefecht, das Bombardement, verwandelte den Boden in eine riesige Staubwolke, erzählen Augenzeugen. Der Ehrenfriedhof Seelower Höhen erinnert mit seiner Soldatenstatue an das Ehrenmal in Berlin-Treptow, denn beide Statuen entstammen dem Bildhauer Lew Kerbel.

Seelower Höhen – Trommelfeuer, Panzer und eine Millionen Soldaten

Die Seelower Höhen sind heute letzte Ruhestätte für 265 gefallene Rotarmisten. Unterhalb der Grabanlage ist das sehr interessante Museum zu finden, und auch unübersehbar ausgestellte Militärtechnik. Darunter einen T-34 Panzer, ein Katjuscha Raketenwerfer, auch Stalin-Orgel genannt, sowie zwei Artilleriegeschütze des Kalibers 76mm und 152mm. Die Gedenkstätte Seelower Höhen lohnt sich als Tagesausflug.

Mich zieht es weiter nach Alt Mahlisch. Auf dem Weg dorthin kehre ich im Kunstspeicher ein, denn mein Magen rebelliert. Frischer Zander mit Spargel ist ne feine Sache. Als mich der Feldweg bei Alt Mahlisch ausspuckt, sprenge ich den auf der Straße abgehaltenen Kaffeeklatsch dreier Omas. Die Damen gucken mich an, als ob ich gerade aus einem Paralleluniversum geradelt komme :-)

Das hiesige Ehrenmal von Alt Mahlisch besteht aus einem Obelisk sowie Einzel- als auch sechs Sammelgräbern und ist letzte Ruhestätte für 300 sowjetische Soldaten. Und dann geht es nach Heinersdorf über die urzeitliche Kopfsteinholperstraße, die bereits eingangs Erwähnung fand. Am Ende läuft man dem sowjetischen Ehrenmal in Heinersdorf breitbeinig entgegen. Es liegt von Ziegelsäulen umzäunt in unmittelbarer Nähe des Heinersdorfer Sees und ist Ehrenfriedhof für 468 gefallene Soldaten und Offiziere der Roten Armee.

Bevor ich am Bahnhof in Fürstenwalde die Marke von 90 Kilometern durchbreche, geht es noch nach und durch Steinhöfel. Freunde und Fans „frischer“, äh, Landluft kommen hier in Steinhöfel vollends auf ihre Kosten. Selbst die Nasen verschnupftester Menschen haben keine Chance die massive Präsenz von reichlichst Biomasse nicht wahrzunehmen. Mir beschlagen fast die Brillengläser, und dem Brennnesselbusch neben dem Eingang des Ehrenmals reicht diese maximalgesättigte Luft wohl bereits als formidabler Dünger. Derart üppig sprießt der Kamerad in den Brandenburger Himmel.

Hier in Steinhöfel sind am sowjetischen Ehrenmal 76 Gefallene bestattet, darunter auch Zugebettete aus anderen Orten im Umkreis. In Fürstenwalde angekommen, ist die Wolkendecke geschlossen. Der Regio rettet mich vor noch mehr Radelei, und es geht ab nach Hause.

Hier gibt es die Route und Daten dieser Tour auf Komoot

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