Wenn die Gusche brennt… Kulinarische Begegnungen in Indien

Für Gourmets und Gourmands ist der indische Subkontinent ein Schlaraffenland, besonders wenn es um Hähnchen, Fisch, Lamm und natürlich vegetarische Spezialitäten geht. Im Staate Punjab zum Beispiel kann man sich das weltberühmte Chicken Tandoori mal im Original auf der Zunge zergehen lassen, während die Küche Bengalens wiederum die ersten zarten Thai-Einflüsse auf die indische Kost durchblicken lässt. Auch die nordindische Cuisine kann einem ordentlich einheizen. Wirklich böse wird es, wenn eine Zutat ins Spiel kommt die dem Tränengas des indischen Militärs den letzten Schliff gibt, das fast reine Capsaicin der extrem scharfen Bhut Jolokia Chili.

Einzig Liebhaber von Rindfleischgerichten werden in Indien wohl eher in die Röhre gucken müssen. Allein das Erwähnen von potentiellem Rindfleischverzehr, führt zur umgehenden Steinigung durch Blicke und einem entsetzten: „You cut the cow?!!“ – Kein Wunder das Inder schnell aus dem Leim gehen und witzigerweise sind auch reine Vegetarier vom Anblick her recht voluminös. Speziell der Norden Indiens ist die Heimat sehr reichhaltiger Speisen und wahrscheinlich haben wir es der Heiligkeit der Kuh zu verdanken, dass eines ihrer Endprodukte, Butterschmalz bzw. Ghee, bei nahezu jedem Gericht gern und viel zum Einsatz kommt. Fett ist bekanntermaßen ein Geschmacksträger und wenn dann noch die fantastischsten Gewürz (-mischungen) dieses Planeten zum Einsatz kommen, sind alle Voraussetzungen geschaffen sich durch Indien hindurch zu fressen. Die Hüften werden es einem danken… ;-)

Schärfe ist ein Machothema, ok, wenn aber schon der Inder die Worte „super hot“ in den Mund nimmt wird es kritisch. Gedanklich freundet man sich dann schon mit dem Defibrillator an oder sieht sich bereits halb verscharrt in irgendeinem Straßengraben bei den Hunden liegen. Ob die Auslandreisekrankenversicherung dann noch greift, wenn man die eigene Mundhöhle einer Chili-gestützten Selbstverstümmelung unterzieht?

In Kalkutta bekommt man problemlos zermahlene Bhut Jolokia Chilis, ein Höllenzeug mit bis zu 1 Million Scoovil, vor dem bereits der Gewürzhändler warnt es zu kosten. Achtung: Hat man Bhut Jolokia Produkte im Handgepäck wird es am Flughafen sofort konfisziert, denn der extremen Schärfe wegen greifen die indischen Ordnungskräfte und auch das Militär auf diese „Frucht“ zurück um Tränengas den „letzten Schliff“ zu geben.

Egal ob Bhut Jolokia oder konventionelles Chili, ein Gutes hat die Sache: Mit Bakterien & Co. braucht man sich bei einer solchen Mahlzeit nicht rumzuschlagen. Bereits der Erstkontakt mit der Bhut Jolokia ist verheerend. Es fühlt sich an, als ob man kontinuierlich auf einer Ladung Reißzwecken kaut und sich jede der Spitzen doppelt und dreifach in alles Rosafarbene bohrt. Die Atemfrequenz steigt. Erstaunlich, dass man trotz der extremen Schärfe doch noch etwas schmecken kann…

Aber das hier ist außerirdisch. Ein kleiner Fetzen der Bhut Jolokia reicht bereits aus und man bekommt Angstzustände. Die dazu gereichten rohen grünen Chilis wirken roh verspeist lustigerweise lindert! Spätestens nach den zweiten Happen verwandelt sich die Verbindung zwischen Kehle und Magen in ein aseptisches Fallrohr, das den ankommenden Nahrungsbrei wiederstandsfrei und ungesehen an Magen und Darm, frei nach dem Motto „Euer Problem…!“, weiterleitet. Der weitsichtige Mensch ahnt spätestens jetzt: Dieses Zeug muss auch wieder aus mir raus………

Wer in Kalkutta Station macht, kann dort in zum Teil die sehr gute westbengalische Küche abtauchen. Es verwundert nicht sonderlich, dass dieser Landstrich zwischen Indien und Thailand (grob gesehen) auch in Sachen Speisen eine interessante Schnittstelle bildet. So trifft man auf die ersten zart mit Kokosmilch und Palmzucker unterstrichenen Gerichte genauso wie auf Limetten und grünes Chili als eine der wichtigsten Zutaten. Auf den Straßen trifft man eine süße Spezialität an die aus Milch gemacht wird und wunderbar im Mund quietscht während man sie kaut. Es ist eine Kalkutta-typische Spezialität dessen Namen ich leider vergessen habe, das an frequentierten Plätzen aber bedenkenlos genossen werden kann. Leckeres Zeug!

Der Servicelevel in Restaurants ist sehr unterschiedlich… Die mit dem Essen verbundene Kultur und Kommunikation ist mir nur selten begegnet und wenn dann eher auf der Straße denn in Restaurants. Vielleicht liegt es daran allein zu reisen, auf der anderen Seite ist es schon ein gehöriger Fauxpas den Nachtisch vor dem zweiten Hauptgang zu servieren ohne zu erwähnen dass das Bestellte in zwei Gängen aufgetragen wird und der zweite Gang erst noch kommt. Manchmal war das Essen samt Rechnung so schnell auf dem Tisch, dass die einfache Taxifahrt zum Restaurant länger dauerte als die Bewirtung. Speziell das „Kewpies“ in Kalkutta sammelte hier Minuspunkte, was angesichts passabler Speisen und angenehmem Interieur sehr schade ist!

Wer Lust auf richtig gutes Chicken Tandoori oder Chicken Tikka hat und zufällig in Agra unterwegs ist, der sollte sich zu Mu‘urgha (auch „Mama Food“) fahren lassen. Was wie ein Straßenimbiss aussieht brummt wie die Hölle… Der von Einheimischen stark frequentierte Stand hat zwar nur Stehtische, serviert aber ein derart gutes Chicken Tandoori/Tikka, dass man einfach nur noch die Ohren anlegt. Auch ist das Restaurant „Silk Road“ in Agra ganz passabel, dessen Speisekarte allerdings viele Spinatcurrys umfasst, die teilweise eher Geschmacks- denn Genusssache sind, daher kann es schnell langweilig werden.

Eine weitere Restaurantempfehlung ist das „Venus“ in Jaipur, unweit des Windpalasts. Besonders deren Chicken Tikka Butter Masala auf Basis von Joghurt und Buttermilch, mit Bockshornklee und im Mund zart schmelzenden Hühnerfleisch war grandios. Auch das von Touristen frequentiertere Rainbow Restaurant ist zu empfehlen, servierte einen großartigen Rice Chicken Biryani.

Einer der besten Plätze in Jodhpur ist das Indique Restaurant unweit des Clock Towers. Es ist besteht aus einer Dachterrasse mit erstklassigem Blick auf das Mehrangarh Fort. Dort sollte man sich mit dem Silver Thali verwöhnen lassen, ein reiches Mahl das ehemals nur Maharadschas serviert bekamen. Ob mit oder ohne Fleisch sei einem selbst überlassen, allerdings ist das dortige Chicken Tikka ein Knaller! Auch die Curries sind großes Kino, da man jedes einzelne zum Einsatz gebrachte Gewürz herausschmecken kann; Biryani-Gerichte sind wiederum nicht so ihre Stärke. Unbedingt allerdings muss man die auf den Straßen Jodhpurs verkauften süßen kleinen Sünden, wie z.B. Gulab Jammon probiert haben.

Im Surjit Restaurant in Amritsar zeigte mir der Chef persönlich, wie Tandoori Chicken & Co ins Leben gerufen werden. Die Küchencrew war sichtlich entgeistert, als der Alte den Kassentresen verließ, die Treppe gen Küche hinaufstieg und am Herd patriarchisch das Zepter übernahm.

Auf Stichflamme kochte er dann drei verschiedene Curries und zeigte, wie das marinierte Huhn aufgespießt im Tandoor-Ofen verschwindet. Zumindest in Sachen (Bauch-) Umfang korrelierten Tandoor und Chef ausgezeichnet, die Blicke der Küchencrew jedoch töteten mich, da ihr Vorgesetzter die gesamte Ordnung der in ein herrliches Violett getauchten Küche durcheinander wirbelte.

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