Staubwischen zwecklos… Unterwegs in der Danakilwüste
Die Debatte über den heißesten Ort der Erde ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Mitbürger, die ihr Schlafzimmer unter den Top 10 jener Orte wähnen, seien hiermit enttäuscht, denn während man sich halb zehn in Deutschland genüsslich das zweite Frühstück hinter die Kiemen schiebt, geht in der äthiopischen Danakilwüste die Sonne buchstäblich auf die Barrikaden und sengt alles nieder, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Bäume..? Wenn es denn mal welche gäbe… Der April ist bereits einer der heißeren Reisemonate, denn dann macht die Danakil mit fiesen kleinen staubigen Böen und Höchsttemperaturen von bis zu 65 Grad im nicht vorhandenen Schatten ganz unmissverständlich klar, wer hier der Chef im Ring ist.
Die Danakil ist nichts für Hygienefundamentalisten, die ihr Zuhause einer sofortigen stalinistischen Säuberung unterziehen, sobald das Brötchen auch nur einen winzigen Krümel geworfen hat. Derartige Mitbürger würden dort wohl weniger der Hitze, sondern eher angesichts von Tonnen feinster Stäube einer gewissen Überforderung zum Opfer fallen.
Der durch die Wüste brausende Jeep wirbelt alles auf. Der weiße, pulverartige Staub dringt durch jede Ritze des Fahrzeugs und verheiratet sich umgehend mörtelartig mit dem im Kampf gegen die Hitze ständig nachladenden Schweiß.
So also fühlt sich ein in Mehl gewälztes Schnitzel in Erwartung seines Kochs… Und unser Ofen ist auch schon vorgeheizt… Der einzige Unterschied zum panierten Stück Schweinefleisch: Wir trafen die Entscheidung uns auf den Grill zu packen selbst. Die Wüste kann noch so öde, leer und lebensfeindlich sein, kaum ist der Jeep festgefahren oder hält kurz an, erscheinen Kinder wie aus dem Nichts. Deren unzählige “Heiland! Heiland!”-Rufe schmeicheln zunächst sehr und lassen einen auch zum ein oder anderen weltmännischen Gruß hinreißen. Sie gelten aber nicht den gottgleichen Weißen sondern eher den mitgeführten Flaschen (Highland = Mineralwasserfirma), die, sofern leer, ein begehrtes Tauschobjekt darstellen.
Meine äthiopischen Begleiter stammen aus Addis Abeba oder Mekele und sind im Vergleich zu den in der Danakil heimischen Afar weniger distanziert. Auch ihnen macht die Hitze zu schaffen, z.B. wenn der Jeep aus dem Sand gezogen werden musste. Koch Heimanut aber verliert auch in der dichtesten Staubtirade seinen Humor nicht: “You see, now I am a white man too…!”, grinst der Äthiopier zurück.
Der Mensch ist zweifelsohne ein anpassungsfähiges Tier, aber der in dieser Hölle (über-)lebende Stamm der Afar kann einfach nur noch bewundert werden. Das Klima prägt den Charakter der mürrisch daher schauenden Afar maßgeblich. Sie feilen sich ihre Zähne spitz und kastrieren ihre Feinde. Der Gang zur Wüstentoilette (Klappspaten & Hinhocken) avanciert dann zumindest für Männer zum Stresstest mit erhöhter Wachsamkeit. Ganz so schlimm sind die Afar dann aber doch nicht. Touristen bekommen wenig von Unstimmigkeiten mit, diese werden immer im Hintergrund geregelt, wenn z.B. mal wieder die ein oder andere katalysierende Zahlung für Situationen spezieller Art notwendig ist.
Mit nur 55°C am Dallol haben wir einen der kühleren Tage erwischt. Ok, bei nahezu 0% Luftfeuchtigkeit ist diese astronomisch anmutende Zahl relativ erträglich. Schlimmer wird im Süden der Danakil, wenn es nur 42°C misst aber 20% Luftfeuchtigkeit hinzukommen. Pünktlich um 17 Uhr kommt der Wüstenwind, der in Böen gut und gerne Windstärke 6-7 erreicht. Die ganze Nacht über zottelt er am Schlafsack während man Sterne zählend am Einschlafen arbeitet.
Wieder am Tag, dauert es nicht lange und das mitgebrachte trinkbare H2O freundet sich mit der Außentemperatur an. Um dies zu verhindern hilft nur Verdunstungskühle, was den Wasserverbrauch ein wenig steigert. Wirklich leistungs- und damit erkundungsfähig ist man eh nur in den Morgen- und Abendstunden, da der Planet einem sonst auch noch das letzte Tröpfchen Flüssigkeit aus dem Körper knüppelt. Unrasiert und wie ein Zombie läuft man übernächtigt und mit halb verschobener Wahrnehmung auf der Suche nach Fotomotiven durch die Wüste. Selbst der Staub wirbelt auf und scheint vor einem davon zu laufen..
Für Geologen und Erdinteressierte ist die Danakil wohl etwas wie Wolke Sieben. Im Norden ist der implodierte Krater des Dallol zu finden, während man weiter südlich das unvergleichliche Schauspiel des Lavasees des Erta Ale beobachten kann. Noch weiter südlich, nahe der Stadt Logya, ist das geothermale Feld Alo Lobed() beheimatet. Inmitten der Wüste sprudelt kochendes Wasser aus dem Boden, Tiere treffen sich zum Trinken und Mineralien als auch Bakterien verwandeln warme Wasserlöcher in karibisch anmutende Swimmingpools.
Zuvor jedoch macht man am Lake Afera halt, dem Toten Meer der Danakil. Hier wird im großen Stil Speisesalz gewonnen und man kann auch in die Fluten steigen. Schier endlos watet man durchs flache Wasser während ausgerechnet die sensible Unterseite der Füße von scharfkantigem Lavagestein gepiesackt wird. Dann endlich ist es soweit und man kann sich ins Wasser legen und Brustschwimmversuche werden zu einer Lachnummer, von der man noch den Enkeln berichten wird.
Sobald die Salzlake allerdings mit Schleimhäuten in Kontakt kommt, ist der Spaß vorbei und es brennt schlimmer als ein Löffel Chillipulver. Das Süßwasser der teilweise sehr warmen Thermalquellen erscheint durch den Algenwuchs zwar giftgrün, ist aber eine willkommene Linderung um das Salz abzuwaschen.
Koch Heimanut konnte im Dorf wieder mal eine Ziege ergattern und schlachtet diese vor Ort. Er zaubert mitten in der Wüste ein Essen aus dem Hut, von sich manch gehyptes Szenelokal eine Scheibe abschneiden könnte. Das Ziegenfleisch ist auf den Punkt genau zubereitet und zergeht auf der Zunge… Ist man ausgedörrt, schmeckt einem selbst das eher an verdünnte Zickenpisse erinnerde St. George Bier. Besonders Verwegene gönnen sich die rohe Leber mit ein wenig Awaze, einer roten Würzpaste.