Singschwäne und Vulkane – Islands Nordosten

Dort wo Islands viertgrößte Stadt Akureyri aufhört, fängt der Nordosten der Insel erst so richtig an. Die Highlights sind der majestätische Goðafoss, die vulkanisch immer noch sehr aktive Krafla-Region und das malerisch, vor schneebedeckten Gipfeln liegende Húsavík, dem Star in Sachen Whale Watching in Island.
Das niedliche Fischerstädtchen Húsavík war einst ein Zentrum der Fischerei. Heutzutage spielt das Fischen zwar auch noch eine wichtige Rolle, allerdings wird dieser Wirtschaftszweig mittlerweile vom Tourismus abgelöst. An der Skjálfandi Bucht und vor den schneebedeckten Bergen des Víknafjöll gelegen, ist Húsavík der isländische Star in Sachen Whale Watching. Gleich zwei größere Familienbetriebe haben sich diesem Highlight angenommen. Ihre Flaggen flattern unverkennbar im Ortszentrum, gleich am Eingang zum Hafen, neben der Touristeninfo und unweit der Kirche.

Die Touren dauern meist um die 3 Stunden und werden durch eine Tasse heißer Schokolade und etwas Gebackenem abgerundet. In der Skjálfandi Bucht sind häufig, aber auch immer nur sehr kurz Minkwale anzutreffen. Außer dem Atemloch, um sekundenschnell nach Luft zu schnappen, sieht, geschweige denn fotografiert man von diesen Tieren nicht sehr viel. Der Kapitän allerdings scheint definitiv noch Walfängerblut in seinen Adern zu haben, vermag er es doch das kurze Auftauchen der Tiere sofort zu bemerken und das Boot in jene Richtung zu lenken.

Wenn ihre Bluse mal nicht wieder Amok läuft, dann nimmt sich die Dame des Húsavíker Tourist Information Center gern alle Zeit der Welt und erklärt ausführlich, was man in der näheren Umgebung so alles bestaunen kann. Auch hat sie kein Problem damit wegen ein paar Informationen oder Schlafplätze aus erster Hand ein wenig herum zu telefonieren. Ein von ihr gern gegebener Tipp ist der, dass man außer schwimmenden Giganten auch noch eine sehr artenreiche Vogelwelt bestaunen kann. Denn weiter nördlich geht das flache Land in saftige Wiesen und geschützte Uferbereiche über. Ein Traumland nicht nur für Farmer, sondern auch für teilweise riesige Schwärme von Gänsen und Singschwänen.

Wer Lust hat kann sich hier auch von Küstenseeschwalben attackieren lassen. Deren Brutgebiete sind manchmal nicht so ohne weiteres zu erkennen. Plötzlich hört man nur noch einen scharfen Schrei und zack wird einem das Haupthaar von einem Heer kleiner kreischender Flieger rasiermesserscharf durchpflügt. Der kleine Kerl fliegt übrigens pro Jahr 20000km, als pendelnder Zugvogel zwischen Nord- und Südhalbkugel.

Wer Gänse oder Singschwäne beobachten will muss allerdings etwas Geduld mitbringen. Die Fluchtdistanz dieser Tiere ist eine Liga für sich. Wenn man gut ist, schafft man es auf 300 Meter an die Tiere heranzukommen. Singschwäne durchkreuzen auch gern mal die Routen der Autos indem sie in Tiefflugmanier die Schotterpisten des Landes kreuzen. Die stark auf ihren Partner fixierten Tiere führen bei nahezu jedem Aufeinandertreffen ein Begrüßungsritual auf, auch wenn sich der Partner nur 40-50 Meter entfernt haben sollte. Wunderschön.

Einen der am einfachsten zu erreichenden und zugleich schönsten Wasserfälle des Landes findet man ebenfalls im Nordosten der Insel. Der nach Norden gerichtete Goðafoss ist nur ca. 500m von der alles umspannenden Ringstrasse 1 entfernt. Bei Mitternachtssonne schickt das leicht über dem Horizont hängende Zentralgestirn ein geniales Streiflicht über den Nordpol genau in den Kessel des Wasserfalls. Gibt es einen besseren Ort um seine alten Götterbilder zu beerdigen? Diese Idee muss auch der Gode Þorgeir gehabt haben, als er der Sage nach um das Jahr 1000 n. Chr. die letzten heidnischen Götterbilder in den Goðafoss warf und das Christentums Staatsreligion wurde. Daher der Name Götterwasserfall. Wenn sich Fotografen, speziell Deutsche begegnen, wird es oft stutenbissig und die Passion weicht einer “Ich habe den längeren!”-Materialschlacht. Wir beide haben den Moment bis zum letzten morgendlichen Streiflicht genossen. Danke, dass ich Dich treffen durfte Henry.

Weiter westlich begegnet man einem weiteren Wasserfall. Der Dettifoss im Jökulsárglúfur Nationalpark, lässt den Jökulsá á Fjöllum gute 100 Meter in die Tiefe stürzen. Er liegt mit einer durchschnittlichen Leistung von 85 Megawatt vor dem Rheinfall von Schaffhausen und ist damit Europas leistungsstärkster Wasserfall. Der Dettifoss wird von Gletscherwasser gespeist das viel Sediment mitführt und dem Vatnajökull-Massiv entstammt. Bevor der Jökulsá á Fjöllum in den arktischen Ozean mündet stürzt er noch zwei weitere Male in die Tiefe, am Hafragils- und am Rèttarfoss.

Ganz in der Nähe des riesigen und nahezu außerirdisch anmutenden Mývatn Sees liegen die Solfataren von Námaskarð/Námafjall mit ihren recht großen und vor allem stinkenden Fumarolen. Unaufhörlich dringt dort ein im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubendes Schwefelwasserstoff-Wasserdampf-Gemisch fauchend durch die Erdoberfläche. Gleich daneben quackert und blubbert es; diverse Schlammvulkane durch die Landschaft.

Eigentlich dampft es überall vulkanisch, auch aus den etwas weiter entfernten Bergen. Deren Ausblühungen, das sind unterschiedlichste Schwefelverbindungen, tauchen das Rhyolit-Gestein in ein surreales Farbmeer und vermitteln wahrlich das Bild eines anderen Planeten. Einzig der blaue Himmel lässt einem noch glauben, dass man sich immer noch auf der Erde befindet. Die Farbflut ist überwältigend; als wäre jemandem bei der Schöpfung der Farbkasten entglitten… Kein Wunder das Jule Vernes Einstieg zum der Reise zum Mittelpunkt der Erde, der Snæfellsjökull, auf Island liegt.

Die Solfataren sind dem weitläufigen Krafla-Gebiet angeschlossen. Genau genommen ist betitelt Krafla eigentlich “nur” einen einzelnen Vulkan, der seit 1724 bis heute kontinuierlich aktiv ist. In diesem Gebiet liegt auch einer der Viti-Krater. Viti bedeutet auf isländisch Hölle bzw. Hölle auf Erden. Allein diese Namensgebung der an Vulkanismus gewöhnten Isländer sollte verdeutlichen, welche Kräfte einst dort an die Erdoberfläche drangen. Die Landschaft ist geprägt von massiven, weiten Lavafeldern, die einen stellenweise haushoch überragen, immer noch dampfen und nicht wenige gefährliche Kanten als auch tiefe Spalten aufweisen.

Bevor man einen der Hauptkrater erreicht, passiert man die Spalte Leirhnjúkur, ein weiterer, aber wesentlich größerer Schlammvulkan der fast schon ein so groß wie ein Dorfteich ist. Nur halt mit schweflig saurem Wasser. Auch hier qualmt es aus den umgebenden Bergen, dessen Palagonitgestein von Schwefelausblühungen stark verfärbt ist. Die letzte Krafla-Eruption dauerte ca. 9 Jahre, begann 1975 und endete erst 1984.

Die Erdenergie wartet nur, denn auch heute noch ist das gesamte Gebiet vulkanisch immer noch stark aktiv. Gummisohlen können ansengen, messerscharfe Lavafelsen säumen den Weg, durch zahlreiche Spalten dringen überall stechende Dämpfe an die Luft. Kurzum, unter der dünnen, teilweise nur 50 Meter (!) “dicken” Erdkruste in der Krafla-Region ist noch immer ordentlich Musike…

Die Isländer machen sich die Energie des Krafla-Gebietes durchaus zu Nutze. Auf dem Arreal steht eines der jüngeren und schon sehr bald auch leistungsstärksten Geothermalkraftwerke. Beim Setzen einer der ersten Bohrungen wurde damals nahe des Viti-Kraters eine Gasblase angebohrt. Es kam zu einer heftigen Explosion, bei der wie durch ein Wunder zum Glück niemand verletzt wurde. Teile des Bohrgestänges fand man jedoch erst in 3km Entfernung wieder… Die Wärmeenergie dieses einen Bohrloches hätte die gleiche Energie geliefert, die heute mit insgesamt 17 Bohrungen gewonnen wird.

Westlich von Akureyri und südlich von Sauðárkrokur gibt es noch ein anderes kleines Schmankerl zu bestaunen, die kleinen Häuser des Torfhofes von Glaumbær. Die zierlichen Häuser mit den kleinen Hauseingängen und weißen Giebeln sind zum großen Teil untereinander durch einen Gang verbunden. Weiter südlich von Glaumbær in der Ortschaft Víðimýri kann man übrigens eine der letzten Torfkirchen Islands bewundern.

Der Nordosten Islands ist ein herrlich erfrischender, authentisch nordischer Landstrich, der durch rauhe Schönheit und Wildnis nicht nur beeindruckt, sondern einen von Grund auf fesselt. Von interessiert bis wagemutig kann jeder die ungebändigten schöpferischen Kräfte der Natur live und in Farbe erleben, egal ob Wasser, Eis oder Feuer.

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