Kleine Stinker – Die Robbenbabies vom Cape Cross

Sind die Bedingungen gut, dann sprudelt Afrika nur so vor Leben. Einer dieser Orte ist Cape Cross, wo eine der größten Robbenkolonien des schwarzen Kontinents zuhause ist. Circa 250.000 afrikanische Seebären tummeln sich in den kalten aber nahrungsreichen Fluten des Benguelastroms und gebären rund um das Kreuzkap ihre knuffigen Jungen. Im Wasser aber lauert der weiße Hai.

Wo Wasser auf Wüste trifft

Ich komme von der magischen Spitzkoppe, dem Matterhorn Namibias, einem alten erloschenen Vulkan und fahre gen Swakopmund um meine Vorräte aufzufüllen. Hier, im Norden des Namib-Naukluft-Parks, zwischen der Mündung des Swakop und der Skelettküste, findet man jene Fotos, wo der Ozean direkt an die Wüste anbrandet. Die Landschaft ist unglaublich flach und manchmal erlaubt es der Küstennebel den Blick kilometerweit durch die Ebene schweifen zu lassen.

Es ist früh am Morgen und der Wolkendeckel drückt bleiern schwer auf eine unglaublich flache Landschaft die eigentlich nur aus klammem hellen Sand besteht. Trotz der Wolken, und obwohl es der Küstennebel vermag erstaunlich weit in jene Kargheit vorzupreschen, ist das kondensierte Wasser nicht in der Lage hier Bedingungen zu schaffen, die Leben abseits weniger Pionierpflanzen zulassen. Nur für kurze Augenblicke erlaubt der Vorhang aus Wolken und Nebel den Blick kilometerweit durch die Ebene schweifen zu lassen.

Der Nebel ist tückisch und scheint auch für das ein oder andere Schiff Verwirrung gestiftet zu haben, denn die Zahl der auf Grund gelaufenen Transport- und Fischerboote ist hier, in der Mitte Namibias deutlich höher als im Rest der Welt. Ihre Wracks lassen die Gegend genauso unwirklich erscheinen wie die futuristisch wirkenden, aber oft verlassene Siedlungen und die zahlreichen, mitten in die Wüste gebauten Holztische.

Auf diesen einfachen „Stammtischen“ mitten in der Wüste wird dem Reisenden echtes, dem Ozean abgerungenes rosa schimmerndes Salz angeboten, welches man gegen eine Spende mitnehmen darf. Alles in allem eine surreale Landschaft, die mit ihrem schroff-morbiden Charme tief zu beeindrucken vermag und ein bisschen das Gefühl eines fremden Planeten vermittelt.

Tausende von Fischfressern am gleichen Ort

Die Seebärenkolonie vom Cape Cross kenne ich bereits aus 2003, als ich das südliche Afrika zum ersten Mal bereiste. Daher bin auf das, was mit jedem gefahrenen Kilometer deutlich zunimmt, bereits seelisch und moralisch vorbereitet. Ich bin immer noch mit meiner Hyänentümpel-gestählten Chinesin unterwegs, der Geruch der uns jetzt aber heimsucht lässt die Asiatin husten.

Kein Wunder, denn jener Gestank übelster Sorte vermag es locker 2-3 Kilometer gegen den Wind landeinwärts vorzudringen. Wo tausende von Fischfressern konzentriert auf nahezu einem Fleck zusammenleben, und dort auch ihr Geschäft verrichten, riecht es nicht nach Chanel N°5… Davon zeugen auch die Felsen, die, wenn sie nicht von der See gewaschen werden, schlichtweg von Robbenkacke verkrustet sind.

Meiner Chinesin wurde die sinnesbetäubende Geruchsbelästigung zu viel und entschied am Eingang des Reservats auf mich zu warten. Ich hingegen fahre weiter und erreiche irgendwann die Küste, auf deren Strand und vorgelagerten Felsen sich tausende von südafrikanischen Seebären tummelten. Die Kolonie ist nicht zu verfehlen, nicht nur wegen des Gestanks sondern auch der Geräuschkulisse wegen, die an eine riesige Schafherde erinnert. Dezember und Januar ist die beste Zeit um die Tiere zu beobachten da zu dieser Zeit die Jungen geboren werden.

Zwischen Leben und Tod

In Robbenbabies habe ich mich bereits im Abel Tasman Nationalpark Neuseelands verliebt. Es ist einfach zutiefst herzerweichend wenn die drolligen Kleinen watschelnd ihre ersten Geh- und Schwimmversuche unternehmen oder einen mit großen Kulleraugen angucken. Im Land der Kiwis hatte ich Glück, hier aber, am Cape Cross, sind so viele Tiere zuhause, dass man zu jedem in Afrika geschossenen Foto einen Sack Robben obendrauf bekommt. Am fantastischsten sind die Beobachtungen spielender Seebärenkids und der Mütter, die mit voller Hingabe und Liebe ihren Nachwuchs säugen.

Die Idylle aber trügt. Auch wenn man hier zwischen abertausenden von Tieren wandeln und sehr dicht ans eigentliche Schlafzimmer rankommen darf, so ist der Überlebenskampf der Kleinen mehr als nur Alltag denn draußen in den kalten Fluten des Atlantiks lauert der weiße Hai und auch Orcas, so sagen die Einheimischen.

Das Wasser sprudelt nur so vor sich tummelnder kleiner Seebärenbabies, was für Raubfische im Umkehrschluss easy food und El Dorado bedeutet. Die berühmten Fotos aus dem Wasser springender Haie kommen von hier, von der Westküste des südlichen Afrikas. Aber auch an Land heißt es Kampf.

Ich sehe nicht wenige Seebärenbabies entseelt auf dem Strand liegen. Vielleicht wurden sie versehentlich zerquetscht oder aber von konkurrierenden Artgenossen totgebissen. Die schwarzen leblosen Fellhaufen dienen ortsansässigen Möwen, Schakalen und sogar Hyänen wiederum als Nahrungsquelle. Einer dieser kleinen pelzigen Kerle scheint diese Welt erst vor Kurzem verlassen zu haben.

Augenblicklich stürzt eine Silbermöwe gierig vom Himmel wie ein Besoffener auf einen sauren Hering und reißt als allererstes die Augen aus dem Kopf des toten Robbenbabys auf das es nur spritzt. Eine harte Szene, aber so ist die Natur. Lebensformen dienen anderen Lebensformen als Nahrung, und traurigerweise sind es oft die Nachkommen die als erstes auf der Strecke bleiben.

Ein Seebärenweibchen hat sich in den für Menschen gedachten und umzäunten Wanderweg verirrt. Forsch attackiert sie die Touristen, aber man sieht ihr auch Verzweiflung an, denn irgendwo da draußen brüllt ihr Junges vielleicht bereits nach Milch. Ich helfe dem Tier, scheuche es durch den Eingang zurück in die Hauptkolonie, entgehe aber nur knapp dreimal gebissen zu werden *uff*

Nach Stunden kehre ich zu meiner reisebegleitenden Chinesin zurück, die mich Nase rümpfend in Empfang nimmt. Ich selbst rieche es nicht mehr, das Hirn blendet es aus, der Gestank der Exkremente tausender Fischfresser aber ist nachhaltig in sowohl Kleidung als auch Haare gekrochen, was die abendliche Dusche zu einem kleinen Erlebnis werden lässt ;-)

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