Boudhanath Stupa – Herz und Auge von Kathmandu

Im Osten Kathmandus, wo sich Einflugschneise und die große Boudha Ost-West-Tangente schneiden, erhebt sich einer der größten buddhistischen Kultbauten der Welt in den Himmel: der Jarung Khashor Stupa von Boudhanath. Besonders zur Morgen- und Abenddämmerung wird die Stimmung greifbar spirituell wenn die Pilger das Kora zelebrieren, die Umrundung im Uhrzeigersinn.

Einer der größten Stupas der Welt

Es ist früh am Morgen und der übliche tägliche Wahnsinn auf den Straßen Kathmandus wirkt genauso verschlafen, wie die dutzenden Augen, die uns aus gerammelt vollen Bussen anschauen. Wir fahren auf dem Schlammweg, der früher einmal die große Boudha Road darstellte. Keine Ahnung ob das Erdbeben von 2015 am Zustand dieser Straße schuld ist, denn aussehen tut diese Tangente teilweise wie ein Kriegsgebiet. Und genauso bewegen sich hunderte von Autos.

Links und rechts sehen wir nur schnöde Betonbebauung als unser Taxifahrer unvermittelt stoppt. Wirklich schön ist es hier nicht. Er empfängt von uns das erste Geld des Tages. Betet dankend kurz das hinter den Blendschutz geklemmte Götzenbild an und deutet uns den Weg durch die Häuserfronten.

In dieser kleinen Gasse wird die Menschenmenge auf einmal dichter. Nur Nepali- und Tibeterköpfe sind zu sehen. Wir folgen ihnen, als sich das Heer der Häupter plötzlich lichtet und den Blick auf den großen Boudhanath Stupa freigibt.

Da steht er, versteckt zwischen den liebevoll restaurierten, historischen Häusern und ragt 36 Meter in den Himmel über Katmandu. Er ist einer der größten seiner Art und glücklicherweise umgehend restauriert worden, als das große Erdbeben in 2015 mit 7.8 auf der Richter-Skala zuschlug. Eigentlich umrunden den Stupa immer Menschen, besonders intensiv aber ist dieses Treiben in den Morgen- und Abendstunden. Und jetzt früh um kurz nach 6 Uhr sind wir die einzigen westlichen Touristen hier.

Kaum dass wir den Platz des Boudhanath Stupas betreten haben, spüren wir sofort die friedliche, spirituelle aber auch konzentrierte Stimmung. Wir schließen uns dem Strom der Menschen um den Stupa an, welcher sich immer im Uhrzeigersinn um das Heiligtum bewegt. Natürlich kann man auch gegen den Strom schwimmen, aber das wäre im höchsten Maße respektlos.

Pilgern, von überall her

An diesem Morgen wirft uns der teils stramme Ostwind alle Nase lang tiefhängende Haufenwolken entgegen. Selbst die tropisch brennende Sonne hat es schwer sich da durchkämpfen zu können. Ein wenig sieht man den Smog der Stadt und auch die rund um den Stupa lebenden Tauben wollen noch nicht so richtig aus den Federn. Aber das hält die Menschen nicht vom Umrunden ab. In Gedanken und Gebete versunken drehen sie jede einzelne Gebetsmühle.

Der tibetische Buddhismus spielt sich in seinen alten Grenzen ab, dem Kulturkreis gelegen zwischen Lhasa, Nepal und auch Bhutan. Und so komme einige der Wallfahrer um uns herum von weit her. Sind hunderte Kilometer zum Stupa gepilgert und mussten teilweise die Berge des Himalaya überwinden. Pilgern bedeutet nicht einfach so zu laufen, sondern sich alle paar Schritte der Länge nach auf den Boden zu werfen und vor allem äußerst enthaltsam zu leben.

So langsam kommt Leben in die Bude. Die um den Stupa angesiedelten Geschäfte starten in den Tag und das Ertönen riesiger Gongs signalisiert das Öffnen der um den Stupa gelegenen Tempelanlagen. Aus eben jenen Tempeln quellen Schwaden von Weihrauch, der die Götter milde stimmen, die Irdischen glücklichen machen und für Erleuchtung sorgen soll.

Taubenspektakel

Plötzlich durchbricht ein riesiges Geschwader Tauben die Rauchschwaden. Sie drehen die erste Runde des Tages um das buddhistische Heiligtum. Landen tun sie dann direkt darauf, entweder auf dem goldenen Hut oder aber der weißen Kuppel. Die gelblichen Verfärbungen mag man zwar eher dem für seine Hinterlassenschaften berühmten Federvieh zuordnen, beim genaueren Hingucken aber sind es Bögen aus Safranfarbe, welche jährlich zum Neujahrsfest Losar erneuert werden.

Die buchstäblich greifbare Stimmung ist der komplette Wahnsinn. Sie ist positiv, emotional, spirituell und lässt den Trubel auf den Straßen deutlich außen vor. Während man den Stupa umrundet erklingen sowohl aus den Tempeln als auch Läden wunderbare Mönchsgesänge, die mich in Erinnerungen sofort an einen anderen, metaphysisch ähnlich fesselnden Ort katapultieren: den Goldenen Tempel von Amritsar.

Insgesamt besuchen wir den Boudhanath Stupa vier Mal und bewundern diesen Ort, während wir auf den umliegenden Dächern frühstücken oder zu Abend essen. Auch der in diesem Stadtviertel servierte Himalaya-Kaffee hat es uns angetan.

Ebenfalls am Morgen findet die Armenspeisung statt. Vielen von ihnen sind sehr alt. Sie sitzen demütig auf den Bänken rund um den Stupa und die unterschiedlichsten Leute nähern sich ihnen um Lebensmittel zu spenden. Wo Essen ist, sind auch Hunde nicht weit und so werden die alten von Vierbeinern umgarnt. Umgarnt bis jemand anderes kommt, allerdings mit weniger edlen Absichten: die Sicherheitskräfte, die die Alten und Armen verjagen bevor es 7 Uhr wird, denn dann kommen die westlichen Touristen…

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