Penis, Puller und Fleischgewehr – Bhutans Phallus-Kult

Bereist man das Königreich Bhutan, dann scheint das Land FSK18-frei zu sein, der unzähligen Penis-Zeichnungen wegen. Der Phallus-Kult und seine traditionellen Darstellungen an Häusern und Wänden vertreiben böse Geister und verheißen Fruchtbarkeit. Bhutans Puller-Kult geht ursprünglich auf Guru Drukpa Kunley, den Divine Madman zurück. Jener Geistliche brachte im 15. Jahrhundert nicht nur den Buddhismus in die Himalaya-Berge Bhutans, sondern auch sein abenteuerlustiges Geschlechtsteil.

Phallus-Kult, etwas reckt sich was gen Himmel

Katholische Priester müssen wohl mega-neidisch auf den Buddhismus, Bhutan und den Phallus-Kult sein. Des Göttlichen Irren wegen, den Divine Madman, wie Guru (oder Lama) Drukpa Kunley auch genannt wird. Denn seine Religiosität und damit verbundene Erlangung der Erleuchtung basierte im Wesentlichen auf Sex. Was ihm auch den Beinamen „Der Heilige der 5000 Frauen“ einbrachte. Katholische Priester – besonders jene in den USA – praktizieren das auch heute noch, dann aber eher mit 5000 Messdienern.

Doch zurück ins Himalaya, wo uns Tandin unter seine Fittiche nimmt. Unser obligatorischer, von der Regierung gestellter Führer durch das Königreich in den Wolken, rattert wie aufgezogen linear die buddhistische Faktenlage runter. Ehrlich gesagt merke ich mir wenig von dieser verbalen Druckbetankung. Ein Name aber fällt häufig. Es ist „The Divine Madman“, dem, der Legende nach, Schöpfer des Takin; einem Bhutan-endemischen Huftier halb Bergziege und halb Rind.

Auf meine ketzerische Frage, wie der Lama dieses Tier denn erschuf, deutet Tandin auf ein Phallus-enthaltendes Foto einer plastisch die geistige Unzurechnungsfähigkeit darstellenden Maske und antwortet: „With his penis, of course.“ Irgendwie fühle ich mich dadurch an Böhmermann’sche Mensch-Tier-Momente erinnert. Verzweifelt suchen meine Augen angesichts des Erstkontakts mit dem Phallus-Kult nach Halt. Die Sichtung der Takine im nahen Wildpark von Thimphu holt mich glücklicherweise wieder zurück in die Realität.

Penisse im Dorf und auf Maskenfestivals

Tandin nimmt uns in die Dörfer südlich von Punakha mit. Entlang unseres Weges zum Chime Lhakhang, dem Tempel der Fruchtbarkeit explodieren die Penis-Darstellungen. Kleine und große, dicke und dünne, mit und ohne Eier – nun ja, abbildungstechnisch ist alles dabei. Viele der Schwanzabbilder sind mannshoch, mit Augen verziert und entladen freudig ihre dickflüssige Milch.

Im Tempelinneren selbst wird „The Divine Madman“ im Beisein eines großen Holz-Phallus dargestellt. Ablichtungswürdig. Mein Fotografenherz blutet, denn leider darf man in Tempeln nicht fotografieren. Was ich grundlegend respektiere. Mein Respekt wird jäh vom Gekicher einer US-Amerikanischen Reisegruppe unterbrochen. Ob eines Werbeschilds der „Phallus Bar“ stoppen die Damen älteren Semesters schulmädchenartig feixend ihre Unterhaltung, welche Champagnermarke sie doch bevorzugen.

Wie man(n) sich wohl fühlen mag, wenn man derartige Abbilder zeichnet? Eine nicht zu beantwortende Frage, denn die meisten Peniszeichnungen zieren historische Häuser. Heißt, der Lümmel wird vererbt. Landbevölkerung und Bauern verbinden mit dem Abbild eine gute Ernte oder aber ein prosperierendes Geschäft. Ein interessanter Kult, denn in unseren Breitengraden ist eher die Weiblichkeit ein Symbol der Fruchtbarkeit. Ganz zu schweigen vom Fruchtbarkeitsverständnis der Afrikaner, was Jahrtausende alte Wandmalereien erzählen.

Für Bhutan kommt es neben der Technik also doch irgendwie auf die Größe an. Nur so lassen sich die gewaltigen Holzdildos erklären, die die Clowns der Tsechus (Maskenfestivals) mit sich rumtragen. Gern rennen diese Zeremonienmeister, wild mit dem Holzschwengel rumfuchtelnd, über das gesamte Festivalgelände und erlauben sich wie auch immer geartete Scherze mit sowohl Tänzern als auch dem Publikum. Unser Guide erklärt uns stolz, dass sich der Grundgedanke des Phallus auch in der Form der bhutanischen Stupa wiederfindet. So gesehen wandelt man dann am Dochula Pass zwischen 108 Erektionen…

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