Kreuzbergs Hauptschlagader – Die U1

Die Berliner U-Bahnlinie 1 durchquert die Stadt von Ost nach West, von der Warschauer Straße bis zur Uhlandstraße, vom Friedrichshain bis nach Charlottenburg. Über die Hälfte der Strecke fährt die U1 alles andere als U (sprich unterirdisch) und ein Großteil des Weges führt dabei durch den Kreuzberg, der durch ihre Hochbahntrasse derart stark geprägt wird, dass jener Interaktion zwischen Zug und Bezirk sogar ein Musical gewidmet wurde. Hinter dem Potsdamer Platz ist’s vorbei mit der Fahrt bei Tageslicht, die U1 verschwindet wieder und vollendet ihre 8,8 Kilometer lange Reise auf dem Weg zum Endbahnhof in der City West.

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Für viele und nicht nur Touristen ist der orange, die Oberbaumbrücke überquerende Zug eines DER Berliner Fotomotive schlechthin. Bevor man die Spree quert heißt es an der Warschauer Straßen „Einsteigen bitte!“ Dies lässt sich eine Gruppe älterer Herren nicht zweimal sagen. Ihre Eile hat aber nichts mit dem gerade herrlich kalten November-Niesel sondern eher mit einem Minikonzert zu tun.

Die U1 ist berühmt-berüchtigt für Straßenmusikanten und auch diese Altherren-Combo zögert nicht, haut sofort in die Tasten und beglückt die Fahrgäste mit einer Melange aus Gitarren-Geklampfe und wildem Gefidel. Mit einer wohldosierten Gabe Kleingelds versuchen die Fahrgäste den Spagat zwischen Nichtstun und dem Riskieren einer Zugabe.

Historisch betrachtet deckt bzw. kreuzt sich die Route der U1 am häufigsten mit der U-Bahnlinie 2, die ich bereits im Juni diesen Jahres abfuhr und auf gleiche Art und Weise fotografisch dokumentierte. Auch die kurze U4 und die U-Bahn 3 hat einen Berührungspunkt mit der U1, am Wittenbergplatz, wo man echt muss aufpassen muss nach dem Einsteigen letztlich nicht im falschen Zug zu sitzen.

Der Westteil der Stadt ist von der Bevölkerung her durchmischter und die U1 ist ein perfekter Spiegel dessen. Während sich an den U2-Bahnhöfen im Pseudo-Szenebezirk aufgetakelte Hipster-Tussis und Elite-Eltern die Klinke, pardon, die Schwenkschiebetür in die Hand geben, tollt am U1-Bahnhof Kurfürstenstraße ein kleines afrikanisches Mädchen mit ihrem Bruder zwischen in dicke Kopftücher gehüllte, anatolische Matronen hindurch. Sprich: Im Westen wird es ethnisch bunter, aber Gegensätze kommen auch krasser zum Vorschein, so die sozialen Kontraste, zum Beispiel am Ziel der U1 in der Uhlandstraße, wo drei gestrandete Obdachlose auf einer Bank ihre ganz persönliche Endstation gefunden haben.

Die U1 – ein Spiegel der Stadt.

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